Dieser Frage nachzugehen, ist umso interessanter, als der Begriff des Alternativlosen jüngst zum Unwort des Jahres gekürt wurde. [1]
Der europäische Einigungsprozess, der bereits kurz nach dem 2. Weltkrieg mit dem sog. Schuman-Plan[2] einsetzte, sah bereits nach kurzer Zeit eine Einigung im wirtschaftlichen Bereich vor. Dem vorangegangen waren zunächst Überlegungen, nach denen man eine Vereinheitlichung im Verteidigungssektor erreichen wollte. Nun hat der Begriff Verteidigung schon etwas Falsches in sich, spätestens seit den Kriegen in Jugoslawien und Afghanistan, aber die Vereinheitlichung scheiterte nicht am Begriff, sondern am Veto des französischen Parlaments.
Nachdem der Plan der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) also gescheitert war, suchte man nach Alternativen. Diese fand man denn auch im Bereich der Wirtschaft. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) war die erste wirkliche Triebfeder des europäischen Einigungsprozesses. Wann genau der Plan einer Gemeinschaftswährung aufkam, ist hier von sekundärer Bedeutung, interessanter ist viel eher das Warum. Warum sahen damalige Staatenlenker souveräner Nationen es als wichtig an, eine gemeinsame Währung zu etablieren?
Beliebt ist wohl, auf die europäische Nachkriegsordnung einzugehen. Ein geteiltes Deutschland bedeutete für Frankreich und Groß-Britannien, dass diese beiden Länder eine Führungsposition in Europa einnehmen konnten, eine Führungsposition, die eigentlich Deutschland inne gehabt hätte, wäre es nicht geteilt gewesen. Die britischen und französischen Vorbehalte hinsichtlich der sog. Wiedervereinigung Deutschlands, die keine war, sind damit logisch nachvollziehbar, schließlich würde ein geeintes Deutschland ihnen den Rang auf der europäischen Bühne ablaufen.
Eine einheitliche europäische Währung hatte, neben dem Fakt, Deutschland von Großmachtgelüsten fernzuhalten, vor allem zum Ziel, dauerhaften Frieden in Europa herbeizuführen. So stark die einzelnen Nationen auch sein mochten, im Vergleich zu den Großmächten USA und der UdSSR waren sie lächerlich klein und somit anfällig dafür, instrumentalisiert zu werden. Ob sie nun als Spielball fungieren sollten oder als Kriegsschauplatz, beides waren für die europäischen Staaten und der europäischen Bevölkerung keine Alternativen.
Es ist richtig, dass der Euro in seiner derzeitigen Konzeption nicht überleben wird, auf die Probleme hinsichtlich der zu unterschiedlichen Volkswirtschaften wurde in den letzten Wochen zur Genüge eingegangen. Dennoch stellt sich durch die eben getätigten Ausführungen die obige Frage ungleich schwieriger. Würde man zu nationalen Währungen zurückkehren, wäre dies nicht nur ein Rückschritt in der europäischen Einigung, der vielen sogar gefallen würde. Es würde Europa auch wieder zu einem möglichen Spielball bzw. –Feld machen, für die heutigen Großmächte China und (noch) der USA.
Insofern sind nationale Währungen denkbar ungeeignet, die derzeitigen Probleme zu kompensieren. Ein „Weiter wie bisher!“ würde die derzeitig desolaten Haushalte weiter über Gebühr belasten. Bislang wenig Beachtung fand die Idee, eine Gemeinschaftswährung mit Nordamerika ins Auge zu fassen. Die derzeitige Schwäche des US-Dollar wird sich nicht mehr umkehren lassen, der Werteverfall des Euro eben so wenig. Eine Währungsreform, die noch tiefgreifender ist als die im Mai 2010 vorgenommene, diesseits und jenseits des Atlantiks wäre selbstverständlich mit hohen politischen Kosten verbunden. Aber eine Gemeinschaftswährung der heutigen EURO-Zone und der USA, Kanada und Mexiko hätte dennoch einen entscheidenden Vorteil: Es wäre ein geeignetes Gegengewicht zu China, das sich daran macht, dass Vakuum der USA in unserer unipolaren Welt zu füllen und gar nicht daran denkt, sich der Idee der multipolaren Welt zu ergeben.
Eine weitere Alternative zum jetzigen Euro wäre eine „Ausdünnung“ der Euro-Zone. Die Peripherie-Staaten würden zu nationalen Währungen zurückkehren, könnten munter Auf- und Abwerten und ihre Haushalte in Ordnung bringen. Wer dafür aufkommt, steht außer Frage: Kern-Europa, welches seine europäischen Brüder und Schwestern nicht hängen lassen würde. Dies setzt allerdings voraus, dass die derzeitige Krise nicht auf den Kern Europas, vornehmlich Frankreich, die Benelux-Staaten und Deutschland übergreift. Eine gewagte These.
Der Euro ist also natürlich nicht alternativlos, auch wenn Merkel und Co. dies gebetsmühlenartig wiederholen, was sie aus ihrer Sicht zu Recht machen. Denn auch wenn die Wirtschaft einst die Keimzelle des europäischen Einigungsprozesses war, so darf die Maxime dennoch nicht lauten, dass die Wirtschaft über den forcierten und mit der Einigung Europas erreichten dauerhaften Frieden innerhalb Europas steht.
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