Seiten

Dienstag, 15. Februar 2011

Der inzestuöse Berliner Politik-Betrieb

Nach dem fluchartig anmutenden Rücktritt von Bundesbank-Präsident Axel Weber wird nun Jens Weidmann in Stellung gebracht. Er ist momentan noch Merkels Top-Berater in Sachen Wirtschaft. Die Unabhängigkeit der Bundesbank wird dementsprechend erneut mit Füssen getreten.

Bereits vor fünf Tagen berichtete WiSoPo über den Personalwechsel im Hause der Bundesbank und darüber, wie erneut die Unabhängigkeit der Zentralbank ad absurdum geführt wird. Wenn man sich das Rauschen im Blätterwald so ansieht, ist von der einstigen Kritik an der Nominierung Weidmanns durch Merkel nicht mehr viel übrig: BILD und Welt können nichts schlimmes an der Wahl erkennen, die Welt argumentiert sogar noch scheinheilig, dass der politische Einfluss auf die Wahl des Bundesbankpräsidenten seit jeher vorhanden gewesen wäre, ganz nach dem Motto: Ob die Tradition gegen geltende Verträge verstößt, interessiert nicht, sie wird fortgesetzt. Wenigstens der Spiegel lässt Frank-Walter Steinmeier (SPD) zu Wort kommen, im Gegenzug verzichtet sie aber auf eine neuerliche Meldung heute.
Steinmeier:
"Es täte diesem Ruf der Unabhängigkeit schlicht und einfach nicht gut, wenn an die Spitze jemand berufen wird, der unmittelbar aus einem Abhängigkeitsverhältnis zur Kanzlerin kommt."

Damit liegt der Mann mehr als richtig. Der direkte Wechsel vom Kanzleramt in die Chefetage der Bundesbank ist problematisch, wer sollte Weidmann, dessen Karriere durch den Aufstieg Merkels entscheidend mitgeprägt wurde, glauben, er wäre unabhängig von ihr?

Die Unabhängigkeit der Zentralbanken ist ein entscheidendes Prinzip in unserem von Gewaltentrennung bzw. Gewaltenverschränkung  geprägten Rechtsstaat. Dies soll verhindern, dass eine bestimmte Person oder eine bestimmte Gruppe zu viel Macht erhält. Besonders die Zentralbank ist dabei von besonderer Bedeutung, schließlich bestimmt sie den weiteren geldpolitischen Kurs Deutschlands, eigentlich ganz ohne politische Einmischung. Das System Merkel besitzt mit der aller Wahrscheinlichkeit nach erfolgreichen Benennung Weidmanns als BuBa-Präsidenten wieder eine nicht zu unterschätzende Einflussmöglichkeit mehr.

Das die Zentralbanken so abgeschottet sind von der Politik, hat seine guten Gründe: Würde die Politik das alleinige Primat über die Geldpolitik inne haben, so müssten wir uns um klamme Staatskassen keine Sorgen mehr machen, da die ganzen Probleme durch schlichtes Geld drucken gelöst werden könnten. Eine Unabhängigkeit vor der Politik ist somit die Bedingung für eine funktionierende Währungspolitik.

Im Gegenzug dazu muss die Zentralbank natürlich auch vor privaten Einflussgruppen, also großen Geschäftsbanken, unabhängig sein. Wenn man hier den Blick über den Atlantik wagt, erkennt man vor allem eins: Die Unabhängigkeit der Zentralbanken ist eine Illusion. Folgerichtig stellt sich dann die Frage, ob das derzeitige System der Zentralbanken überhaupt aufrecht erhalten werden kann, wenn die Prämisse schlechthin - die Unabhängigkeit - keine Gültigkeit besitzt.

Links:
1 2 3 4

PS: Ich freue mich sehr, dass innerhalb von nicht mal einem Monat über 20.000 Leute auf WiSoPo geklickt haben, Danke dafür! :)

5 Kommentare:

  1. GLAUBT DA WIRKLICH NOCH JEMAND DRAN? Unabhängigkeit - dieses Wort im Zusammenhang mit der derzeitigen Politikerkaste und deren Handeln zu gebrauchnen ist nach meinem Empfinden genau so gewagt, wie zu behaupten Hitler hätte die Juden geliebt oder Stalins Gulaks wären Erholungsheime gewesen.

    AntwortenLöschen
  2. Mit dem Unterschied, dass Letzteres geschichts-revisionistisch ist, während man das Erstere eher als naiv bezeichnen sollte...

    WiSoPo

    AntwortenLöschen
  3. Ist es wirklich relevant ob naiv oder revisionistisch?
    Es gibt für mich keinen einzigen vernüftigen Grund an irgendeine Art von Unabhängigkeit innerhalb des derzeitigen Machtgefüges zu glauben.
    Mit welcher Brutalität uns diese Diktatur des Geldes jeden Tag begegnet wird doch immer deutlicher. Es herrscht Angst in diesem Gefüge und die Damen und Herren "Lenker" werden nichts unversucht lassen dieses Gefüge zu erhalten.
    Mit welchen Mitteln diese "Lenker" das Aufbegehren des Volkes begegnen, muss hier nicht näher beschrieben werden. Egal in welchem Land, egal in welchem gesellschaftlichen Bereich, es ist überdeutlich.
    Die Diktatur des Geldes geht an ihrem Grundlagen zugrunde!
    Ihr Nährboden ist schon längst zur stinkenden, verseuchten und vergifteten Kloake geworden. Alles Lenken und taktieren geschieht nur aus des Angst vorm Untergang und dabei sind alle Mittel recht.
    Wir sollten Abschied nehmen von diesen Mächten und wieder Mensch zu sein versuchen.
    Das es geht und wie am besten gehen könnte wissen wir. Es sollte auf jeden Fall einen Versuch wert sein. Bevor wir mit diesen Mächten untergehen!

    AntwortenLöschen
  4. Kritik ist berechtigt und Weidemann auch kein ausgewiesener und erfahrener Banker, bloß weil er mal als Abteilungsleiter ein paar Akten sortieren durfte. Die Besetzung ist eine politische und administrative Katastrophe - der Mann hat keine Ahnung, um einiges weniger als Sarrazin oder etwa Merkel. Letzteres soll schon was heißen. Allerdings ist es (schlechte) Tradition, daß Bundesbanker - sogar in der vor-EU-Zeit, als sie noch Bedeutung hatte - aus dem (vorwiegend sozialistischen) Regierungsumfeld delegiert wurden, auch wenn sie von Ökonomie keine Ahnung hatten. Steinmeier sollte daher tunlichst seinen Mund halten.

    AntwortenLöschen