Seiten

Dienstag, 22. März 2011

Die UN-Resolution 1973 unter der Lupe

Was steht da eigentlich drin in der Resolution, die Libyen westliche Bomben brachte?

Die UN-Resolution, die den Krieg in Libyen möglich macht, strotzt nach Ansicht vom russischen Premierminister Putin, mitnichten ein lupenreiner Demokrat, nur so vor Fehlern und ist seiner Auffassung nach geeignet, den mittelalterlichen Kreuzzügen zu einer Renaissance zu verhelfen. Sein politischer Lehrling Medwedew erzählte später, dass diese Einlassung "unangebracht" sei, was von den bekannten Meinungsmachern als kolossale Absatz-Bewegung von Medwedew gefeiert wurde. Nur weil etwas unangebracht ist, ist es indes natürlich nicht falsch. Medwedew monierte eher die diplomatische Unbeholfenheit Putins, die nüchtern betrachtet wohl auch unter dem Label "Klartext" firmieren könnte.

Die UN-Charta verbietet in Artikel 2.4 die Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten. Jedes Mitgliedsland, also auch die USA, Frankreich und die Jungs von der Insel, hat sich an diesen Artikel zu halten. Er verbietet jedem Mitgliedsland die Androhung oder Anwendung von Gewalt, die geneigt ist, die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Mitgliedslandes zu verletzen. Libyen ist seit 1955 Mitglied der UN.

Dem Artikel ist insofern eine Sinnhaftigkeit innewohnend, als er die Welt vor durchdrehenden Hegemonialmächten, wie den USA, zu beschützen versucht. Jedes Land kann sein soziales, kulturelles, wirtschaftliches und politisches System frei wählen und es kann kein anderes Land ankommen und Bomben abwerfen, weil ihm die Nase des politischen Führers nicht passt. Keine Sorge, die graue Theorie-Stunde ist gleich überstanden. (Wobei es schon noch was dauert :) )

Eingeschränkt werden kann dieser Artikel 2.4 durch das Kapitel VII, in dem die Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen abgehandelt werden.


Der erste Artikel des siebten Kapitels (Art. 39) gibt Aufschluss darüber, wer die Entscheidungsbefugnis inne hat, um einen Bruch des Friedens oder Angriffshandlungen entgegen zu wirken: Der Sicherheitsrat. Hier wird die schlussendliche Entscheidung, in Falle Libyens die jüngste Resolution (s.o.), gefällt. Diese wird dann gefällt, wenn der Weltfrieden und die internationale Sicherheit (vgl. Art. 39ff) gefährdet ist oder wiederhergestellt werden muss. Zunächst können über Artikel 41 unter Ausschluss der Waffengewalt Maßnahmen getroffen werden, die den Weltfrieden oder die internationale Sicherheit gewahrt bzw. wiederhergestellt wird. Wohlgemerkt sind innerstaatliche Konflikte davon ausgenommen. Und selbstverständlich hat das Mitgliedsland, welches angegriffen wird, das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung. (vgl. Art. 51)


Nach dieser Annäherung  an das Thema wenden wir uns jetzt mal der Resolution zu. Neben dem ganzen diplomatischen Blabla gibt es auch dort noch etwas interessantes zu finden. Auf Seite 2 der Resolution findet man die Bekräftigung des UN-Sicherheitsrates, dass Libyen ein souveräner, unabhängiger, territorial unversehrter und national einheitlicher Staat wäre.



Reaffirming its strong commitment to the sovereignty, independence, territorial 
integrity and national unity of the Libyan Arab Jamahiriya, 

Sie zerbomben also ein Land, sie sperren den Luftraum und greifen nach Aussage des libyschen Außenministers zivile Ziele an, aber bekräftigen die Souveränität, Unabhängigkeit und die territoriale Unversehrtheit Libyens? Hierbei von Doppelmoral zu sprechen, wäre eine unzureichende Bagatellisierung des Vorgehens unserer engsten Verbündeten. 

Der völkerrechtlich wichtige Passus, wonach die Situation in Libyen eine Bedrohung des Weltfriedens und der  internationalen Sicherheit wäre, findet sich ebenfalls auf der zweiten Seite der Resolution. 




Determining that the situation in the Libyan Arab Jamahiriya continues to 
constitute a threat to international peace and security


Wieso der Weltfrieden dadurch in Gefahr wäre, dass Gaddafi Rebellen bekämpft, die ihm seine Macht in Libyen streitig machen wollen, wird nicht näher erörtert. Es ist halt so, weil es der UN-Sicherheitsrat so beschlossen hat. Eher gesagt, weil es die Veto-Mächte USA, Großbritannien und Frankreich so beschlossen haben und weil die anderen Veto-Mächte Russland und China nicht die Eier in der Hose hatten, die Resolution mit ihrem Veto zu verhindern. Warum auch? Russland und China können doch so über Umwege ihre Waffenverkäufe ankurbeln, indem sie einfach beide Seiten beliefern. Ich weiß, sonst machen sowas nur Groß-Banken, aber in Zeiten der Krise sind ökonomische Motive als Triebfeder für politisch fragwürdige Verhaltensweisen immer gerne gesehen.


Auf der dritten Seite (Punkt 4) der Resolution finden wir denn auch die vielzitierte und selten verstandene Aussage des UN-Sicherheitsrates, dass die Zivilbevölkerung mit allen erforderlichen Maßnahmen beschützt werden müsse. Die Frage ist: Welche Zivilbevölkerung? Die Zivilbevölkerung, die Waffen in der Hand hält und den Aufstand gegen Gaddafi probt? Die Zivilbevölkerung, die auf libysche Soldaten schießt und sich darüber freut, wenn sie einen "Feind" tötet? Nur um Missverständnissen vorzubeugen (soll ja bei den "Atom-Artikeln" ja vorgekommen sein... :) ): Natürlich ist Gaddafi nicht derjenige, der das arme Opfer darstellt, der nie etwas böses getan hat und nun hinterrücks gemeuchelt werden soll. Es ist aber auch nicht so, dass die in Zivilisten umbenannten Revolutionäre weiße Tauben auf ihren Schultern hätten und alles für den Frieden tun.


Immer wieder geistert dieser Tage ja die beschwichtigende Aussage durch den bundesdeutschen Blätterwald, dass ja der Einsatz von Bodentruppen ausgeschlossen sei. Ob Lüge oder Dummheit, falsch bleibt diese Aussage so oder so. In Punkt 4 der Resolution steht eindeutig, dass lediglich der Einsatz einer Besatzungs-Macht ausgeschlossen ist. Und selbst hier könnte eine neuerliche Resolution Abhilfe schaffen.



while excluding a foreign occupation force of any form on any part of Libyan territory



Bodentruppen, die zeitlich begrenzt in Libyen kämpfen, können demnach durchaus in Libyen eingesetzt werden.

Der fünfte Punkt hebt die besondere Rolle der Arabischen Liga hervor. Diese hatte vor der UN-Resolution einer Flugverbotszone zugestimmt. Nachdem die Liga nun weiß, was der Westen meint, wenn er von einer Flugverbotszone redet, kritisierte die Liga nun die Bombenabwürfe. Die einleuchtende Begründung: Statt die Zivilbevölkerung zu schützen, bombardiere die westliche Militärallianz diejenigen, die sie angeblich zu schützen versucht. Anscheinend hat sich diese Erkenntnis noch nicht bis zu unserem Friedensnobelpreisträger Barack Obama rumgesprochen, der nicht nur nicht sein Wahlversprechen, er würde die Kriege beenden, eingehalten hat, nein, er fängt auch noch einen neuen Krieg an.

Nachdem die Arabische Liga der Resolution zugestimmt hat, ist ihre nachträgliche Kritik an der Umsetzung bedeutungslos. Insofern ist ihr wohl die Rolle des nützlichen Dummen zuteil geworden, mindestens aber des Naivlings.

Die Fehlerhaftigkeit der Resolution besteht darin, dass die internationale Sicherheit oder der Weltfrieden durch einen profanen libyschen Bürgerkrieg nicht gefährdet ist. Profan ist er deshalb, weil es in unzähligen Weltregionen Bürgerkriege gibt, ohne dass sich westliche Mächte genötigt sehen würden, auch dort den Weltfrieden zu sichern. Es ist immer wieder das gleiche Bild in der westlichen Außenpolitik: Wir beschaffen uns einen nützlichen Diktator, versorgen ihn mit Macht, Geld und Waffen und erhalten dafür die Rohstoffe des jeweiligen Landes. Anschließend wundern wir uns, wenn er das viele Geld und die vielen Waffen auch tatsächlich dazu benutzt, um seine ihm verliehene Macht zu erhalten. Und viel mehr wundern wir uns dann noch, wenn dieser Diktator nicht klein bei gibt. Wenn er dann auch noch die Dreistigkeit besitzt und sich unserer Propaganda-Methoden bedient, die wir ihm vor langer Zeit erklärt haben und auch tagtäglich beibringen, dann ist aber auch mal Ende im Gelände und dieser Diktator, so nützlich er für uns auch war, wird er durch einen neuerlichen Diktator abgelöst.

Selbst durch das mediale Trommelfeuer, welches momentan auf uns darnieder prasselt, hindurch hören und sehen wir doch, was da unten passiert: Ein unliebsamer Diktator soll entfernt werden, natürlich nur weil er sein eigenes Volk umbringt und wir die Zivilisten schützen müssen. Oder die Rebellen, die keine Zivilisten sind. Mich würde ja mal interessieren, was in den USA oder in Frankreich passieren würde, wenn bewaffnete Rebellen Armee und Polizei bekämpfen würden und sich, nachdem sie ein paar Schlachten und Territorien gewonnen haben, als neue Regierung der USA oder Frankreich bezeichnen würden. In diesem Falle können wir nur hoffen, dass unsere als friedfertige Menschen verkleidete Staatsoberhäupter nicht ihre demokratische Maske fallen lassen und sich als das entlarven, was sie sind: eingesetzte Diktatoren.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen