Was musste er sich nicht alles anhören: Er galt als Mutter aller Fehlbesetzungen, als der weltpolitischen Bühne nicht gewachsen. Nachdem sich Guido Westerwelle (FDP) eine Pause vom Job als Lautsprecher der Liberalen genommen hat und nun tatsächlich fast so wie ein richtiger Außenminister agiert, stellt sich die Frage, ob sich nicht doch in ihm getäuscht wurde.
Das Jein zum Libyen-Krieg hat der Bundesregierung innerhalb Europas wohl nicht unbedingt geholfen. Der kriegslüsterne Napoleon steht an vorderster Front, wenn es darum geht, sich eines lästigen Diktators zu entledigen und sich gleichzeitig die libyschen Öl-Reserven zu sichern. Selbst die Cowboys aus den USA gehen weitaus zaghafter vor, sprechen von einer zeitlich eng begrenzten Militäraktion.
Und Guido? Bleibt standhaft, bleibt beim Jein.
Natürlich möchte er sich in ein friedenspolitisch günstiges Licht rücken, der Unterschied zu den anfänglichen Chaos-Wochen der schwarz-gelben Koalition liegt jedoch darin, dass Westerwelle sich endlich auf sein Amt besinnt. Die "spätrömische Dekadenz"-Aussage ist schon so lange her, dass sie schon fast nicht mehr wahr ist. Stattdessen gibt Westerwelle nun den Staatsmann, er scheint endlich begriffen zu haben, wie er aus dem Amt des Außenministers politisches Kapital schlagen kann.
Es ist doch kein Zufall, dass seine Amtsvorgänger stets hervorragende Popularitäts-Werte inne hatten. Dieses Amt als Außenminister ist wesentlich telegener, als beispielsweise das Amt des Finanzministers, auch wenn mit diesem Amt ein höheres politisches Gewicht einher geht. Warum Westerwelle es nicht gelang, an diese hohen Beliebtheitswerte seiner Vorgänger anzuknüpfen ist eine Frage, die sich Guido gefallen lassen muss. Es schien fast so, als wäre er seiner Rolle als Wahlkämpfer verhaftet gewesen. Unaufgefordert sonderte Westerwelle seine Meinungen ab, die nicht immer etwas mit seiner Aufgabe als Außenminister zu tun hatten.
Das ihm nun vorgeworfen wird, er würde Deutschland innerhalb Europas isolieren, ist grotesk. In einer Reihe mit Ländern wie China oder Russland zu stehen, ist eine Ehre und keine Schande, solange wir das demokratische Auge zudrücken. Rein wirtschaftlich betrachtet würde jedes Land gerne in einer Reihe mit China und Russland stehen, lieber jedenfalls, als auf der Seite derjenigen Länder, deren wirtschaftliche Zeit abgelaufen ist. Wie weit es mit der deutschen Liebe zur Demokratie gediehen ist, zeigen uns doch die Handelsbilanzen mit den Ländern, die jetzt als die Wurzel allen Übels hingestellt werden, weil sie einem Krieg nicht zustimmten. Scheinheiligkeit aller Orten...
Westerwelle hat den Spagat zwischen dem pazifistischen Deutschland und der weltpolitischen Diplomatie geschafft. Diejenigen, die sich darüber aufregen, dass sich Deutschland nicht am Krieg gegen Libyen beteiligt, denken kurz. Ein Ja zur Resolution hätte einen militärischen Einsatz zwar nicht zwingend vorgeschrieben, wohl jedoch wäre von den selben Leuten, die die Enthaltung kritisieren, ein Ja kritisiert worden, weil man ja so viel zu sehr von den wichtigen Handelspartnern China und Russland abgerückt wäre.
Insofern ist es schon als Erfolg zu bewerten, wenn sich ein Herr Westerwelle endlich zu einer Entscheidung durchringt: Jein-Sager sind beliebter als Nein-Sager oder Ja-Sager. Dies scheint Westerwelle nun endlich von Mutti Merkel gelernt zu haben.
Sehr schöner Kommentar, dem ich nahezu komplett zustimmen kann.
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