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Dienstag, 16. August 2011

Das Placebo der europäischen Wirtschaftsregierung

Das Treffen zwischen dem französischen Präsidenten Sarkozy und Bundeskanzlerin Merkel bringt statt den heiß diskutierten Eurobonds eine angebliche Wirtschaftsregierung auf den Weg. Unter dem Vorsitz des demokratisch nicht-legitimierten Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, soll diese Wirtschaftsregierung nach dem Willen von Paris und Berlin ihre Arbeit aufnehmen.

Mitglieder dieser Wirtschaftsregierung sollen die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder sein. Van Rompuy solle zunächst den Vorsitz übernehmen. Warum Van Rompuy überhaupt irgendetwas innerhalb der EU zu sagen hat, weiß allerdings niemand so wirklich. Er wurde nicht etwa vom Europäischen Parlament, der einzigen europäischen Institution, die direkt von den europäischen Völkern legitimiert wird, gewählt, sondern im Hinterzimmer der europäischen Politik ernannt.

Die Zusammensetzung dieses Wirtschaftsregierung genannten Gremiums erinnert stark an den Europäischen Rat. Der einzige wirkliche Unterschied besteht wohl nur darin, dass nicht alle EU-Mitgliedsstaaten ihre Staats- und Regierungschefs entsenden, um in dieser Wirtschaftsregierung etwas zu beschließen, sondern lediglich die Euroländer.

Frankreich und Deutschland fordern von den anderen Euro-Ländern außerdem, eine Schuldenbremse in die jeweiligen nationalen Verfassungen zu schreiben. Was mit Ländern passiert, die dies nicht tun, wurde zunächst nicht bekannt. Die Ausgestaltung dieser Schuldenbremsen dürfte wohl den jeweiligen nationalen Regierungen obliegen. Es wird also voraussichtlich keine einheitlichen Sanktionsmechanismen geben, wenn ein Land die eigene Schuldenbremse nicht einhält.
Es ist ja eigentlich eine ganz gute Idee, die Schuldenbremsen auf nationaler Ebene einzuführen. Wie die Geschichte der EU gezeigt hat, bedeutet dies aber nicht zwingend, dass alle Länder in einer einheitlichen Art und Weise derlei Beschlüsse auch in die Tat umsetzen. Überhaupt ist davon auszugehen, dass diejenigen Länder, die eine vergleichsweise laxe Schuldenbremse einführen, kurz- und mittelfristig am ehesten davon profitieren werden, da sie so auch weiterhin Steuergeschenke auf Pump realisieren können.

Ebenfalls interessant ist der Plan, eine Finanztransaktionssteuer innerhalb der Eurozone einzuführen. Mal abgesehen davon, dass diese Idee bislang nicht viel mehr als ein Lippenbekenntnis von Merkel und Sarkozy ist, muss auch die Frage gestellt werden, inwiefern eine derartige Steuer die Spekulationsgeschäfte tatsächlich eindämmen kann, solange es andere Länder gibt, die diese Steuer nicht eingeführt haben. Bislang gehörte die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer zum guten Ton von "linken" Politikern, zuletzt wagte es sich Gesine Lötzsch (Linkspartei), diese Idee öffentlich einzufordern. Auf ganz ähnliche Weise wie die Schuldenbremse dürfte es jedenfalls mehr als schwierig werden, diese Form der Spekulations-Besteuerung einzuführen, da die Euroländer fürchten müssen, dass ihre Finanzplätze schrumpfen, wenn eine derartige Steuer eingeführt würde.

Sarkozy ließ sich hinsichtlich der Eurobonds übrigens ein Hintertürchen offen. In Zukunft könne man sich die Einführung solcher gemeinsamer Anleihen durchaus vorstellen, allerdings erst am Ende eines Integrationsprozesses innerhalb Europas, nicht zu Beginn dieses Prozesses. Wenn diese Integration dadurch gekennzeichnet ist, dass uns Merkel und Sarkozy ein Placebo nach dem nächsten vor die Nase halten, könnte die Zukunft allerdings schon sehr viel näher sein, als beiden lieb sein kann. Schließlich bekräftigten beide ihren unabänderlichen Willen zur Stabilisierung des Euro. Wenn Europa, so wie es Merkel gesagt hat, bislang noch nicht auf das "letzte Mittel Eurobonds" angewiesen sei, so kann sich dies doch relativ schnell ändern.

Auf den ersten Blick sehen die Vorschläge des deutsch-französischen Tandems wenig vielversprechend aus, die gegenwärtige Schuldenkrise lösen zu können. Eine Schuldenbremse ist eine gute Idee, ihre Einführung, Umsetzung und etwaige Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhalten sind bislang jedoch völlig ungewiss. Ebenso verhält es sich mit einer Finanztransaktionssteuer. Die Beschlüsse des letzten EU-Gipfels vom 21. Juli beruhigten die Finanz- und Anleihemärkte knapp eine Woche. Die Halbwertszeit des alten Weines, den uns Merkel und Sarkozy nun in neuen Schläuchen präsentieren, dürfte kaum höher sein, dazu sind zu wenig handfeste Entscheidungen herausgekommen.

8 Kommentare:

  1. Knapp 20 Jahre nach dem Ende der DDR bekommen wir die Diktatur aus Brüssel übergestülpt, und das ganze ist nicht mal demokratisch legitimiert.

    Barroso: "Wir verteidigen den Euro, koste es, was es wolle".
    Hankel: Eine Währung die gerettet werden muss, ist keine Währung.

    Reinste Demagogie!
    „Demagogie betreibt, wer bei günstiger Gelegenheit öffentlich für ein politisches Ziel wirbt, indem er der Masse schmeichelt, an ihre Gefühle, Instinkte und Vorurteile appelliert, ferner sich der Hetze und Lüge schuldig macht, Wahres übertrieben oder grob vereinfacht darstellt, die Sache, die er durchsetzen will, für die Sache aller Gutgesinnten ausgibt, und die Art und Weise, wie er sie durchsetzt oder durchzusetzen vorschlägt, als die einzig mögliche hinstellt.“ [wikipedia.org]

    Am Tag, als der Dollar starb

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  2. Was haben uns die Finanzorte denn bisher her so eingebracht? Ab den Profithöhen, ab denen es Sinn macht, musste von den Gewinnern dieser Orte doch nie Steuer gezahlt werden (weil einfach Vermögen woanders hingeschoben) und ansonsten hat das bisher doch wohl hauptsächhlich gekostet?!? Was ist schlimm an weniger Finanzorten? Die Kredite zur Finanzierung von Unternehmen kann man sicher nicht nur auf diese Art und Weise erschaffen (wie das mit der Krediterschaffung ja wohl überhaupt ein äußerst diskutables Ding ist, dass zu verändern die Finanzorte wohl am wenigsten Interesse haben und das sicher nicht grundlos!).

    Ich finde auch eine Schuldenbremse alles andere als einleuchtend, weil das Problem nicht die zu vielen Schulden sind, sondern deren inhärente Unabzahlbarkeit. Das wird sich auch mit einer Schuldenobergrenze nicht ändern, wie die USA ja trefflich vorgemacht haben, sondern es wird heftigste Einschnitte in, für eine industrialisierte Gesellschaft an sich grundlegende soziale Sicherheiten nur einfacher ermöglichen ("Krise!!!!-->zu wenig Selbstvorsorge, zu viel soziale Ausgaben" daraufhin: "Krise!!!! ---> Einschnitte..."). Diese ganze Idee ändert doch einmal mehr nichts an der Bigotterie dessen, was gerade passiert und auch nicht an der anscheinend immer noch nicht vorgedrungenen Erkenntnis, dass Abbau der Sozialsicherungen auch Zerstörung der gesellschaftlichen Voraussetzungen dessen bedeutet, was man moderne Industrialisierung nennt.

    Man könnte seitens der Regierung und des Parlaments sich auch mal 3 Monate lang mit dem Rücken zum Finanzwesen stellen und einfach gar nichts mehr bei denen beschließen und sich mal wieder den nicht eben wenigen anderen Problemen dieses sogenannten Europas zu wenden. Einfach mal 3 Monate nichts aus diesem Bereich irgendwie gesetzlich oder sonstwie - auch nicht medial - berühren. Wenn man sich unsere Berichterstattung anschaut, könnte man glatt meinen, wir alle fürchteten um unsere schweren Börsengewinne. Aber wieviele der Deutschen haben denn bitte irgendwas an der Börse? Wieviele waren wohl so dümmlich?

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  3. "Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten,
    vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott.
    Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten,
    dann richtet das Volk und es gnade euch Gott."

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  4. Artikel 20

    (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

    (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

    (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

    (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

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  5. Hi WiSoPol

    Was soll denn eine Schuldenbremse bringen?

    Die ist doch schon in den Maastricht-Verträgen vereinbart.

    Wird ein wirkungsloses Medikament wirksamer, wenn man es zweimal verordnet?

    Gruß Karl-Heinz

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  6. Hallo Karl-Heinz,

    eine Schuldenbremse würde - wenn sie denn konsequent durch- und umgesetzt werden würde, den Vorteil bringen, dass sich Staaten nicht mehr über Gebühr verschulden könnten bzw. auf (sehr) lange Sicht gesehen gar keine Schulden mehr hätten. Über die Möglichkeit der Realisierung einer Schuldenbremse in einem Papiergeld-System brauchen wir nicht reden, sollte einleuchtend sein, weshalb sie hier kaum etwas bewirken kann.

    Viele Grüße!

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  7. "Wenn die DEMOKRATIE etwas für den 'kleinen Mann' wäre, wäre sie schon längst abgeschafft!!!"

    Rudolf Thüncher, 1975

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  8. Die planetare Gesellschaftskatastrophe, die sich vor unser aller Augen breitmacht, hat einen Namen: KAPITALISMUS. Und bei allem, was so gedacht und niedergeschrieben wird, wird es fast immer tunlichst vermieden, die Gesellschaftskatastrophe auch eben derart zu benennen, wie sie nun mal heisst: KAPITALISMUS. Kapitalismus ist die selbstzweckhafte Verwertung von Wert, also aus einen Euro zwei Euro machen. Es geht um Finanzierbarkeit und Zahlungsfähigkeit. Wenn Griechenland z. B. als Staat pleite gehen kann, also zahlungsunfähig wird, so ist dies bei nationalen und transnationalen Unternehmen erst Recht möglich. Lebensmittelketten, Transportunternehmen, Stromversorgung, Wasser. Es ist durchaus denkbar, dass schon bald auch wir hier in den Zentren vor leeren Lebensmittelregalen stehen, mangels Finanzierbarkeit. Das muss man sich mal reinziehen. Es ist alles im Überfluss vorhanden, Ressourcen ohne Ende, aber es findet einfach nichts mehr statt, weil alles Pleite gegangen ist. Das erinnert doch stark an das Schicksal des TANTALOS, der ewigen Hunger und Durst erleidet, weil reichlich Speisen und Getränke durch Zauberhand vor seinem Zugriff zurückweichen. Das soll also das Schicksal des kapitalistischen Menschen sein. Ach ja: Die Milch steht nicht deswegen in den Kühlregalen der Supermärkte, weil wir ein Bedürfnis nach dieser Milch haben und sie eben genau deswegen produziert und transportiert wurde. Nein. Die Milch steht deswegen in den Kühlregalen, weil irgendein Klein- oder Grossarsch der Meinung war, mit ihr aus einem Euro zwei Euro zu machen. Kann er dies nicht mehr, dann gibts auch keine Milch mehr. So einfach ist KAPITALISMUS. Und derart einfach wird sich das gestalten, was schon bald auf uns alle zukommen wird. Zusammenbruch, Gesellschaftskatastrophe: Geldsubjekte ohne Geld, Arbeitssubjekte ohne Arbeit und Warensubjekte ohne Ware. Einfach mal genau über das nachdenken. Und nicht einfach nur abwiegeln, so nach dem Motto: Wird schon nicht sein, so. Die Milch machts!

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