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Montag, 26. September 2011

2011 vs. 2008

Mit alten Rezepten auf neue Probleme zu reagieren, war noch nie ein probates Mittel. Was 2008 noch funktionierte, ist nun obsolet. Ob nun die wimmernden Aufrufe an die Staaten, erneut einige Milliarden oder Billionen in die Hand zu nehmen oder der Abverkauf des Papiergoldes: Die alten Rezepte entfalten keine Wirkung mehr.

Was ist am Wochenende und heute nicht alles geschrieben worden. Die Blase am Gold- und Silbermarkt wäre geplatzt, der Traum der ewig steigenden Kurse ausgeträumt und überhaupt habe ja eigentlich jeder gewusst, dass die Edelmetalle keine Gewinne abwerfen würden. Natürlich ist eine Blase geplatzt, nur eben nicht bei den physischen Edelmetallen. Während die Papiergold-Kurse heute erneute Verluste einfuhren, berichten viele Edelmetall-Händler vom umsatzstärksten Tag seit 2008. Die einschlägigen Webseiten sind nur schlecht oder gar nicht zu erreichen, vor den Edelmetall-Händlern bilden sich zuweilen Schlangen, die eine mehrstündige Wartezeit verheißen. Während in 2008 noch alle Welt in Staatsanleihen flüchtete, weil diese schießlich "sicher" seien, scheint dieses Mal mit des Volkes Füßen über die Zukunft abgestimmt zu werden.
Währenddessen stiegen heute die Aktienkurse und der geneigte Beobachter fragt sich zu Recht: Warum stiegen die Kurse eigentlich?

Als im Jahr 2008 Lehman Bankrott ging, sanken die Papiergold-Kurse ebenfalls. Die Hintergründe des damaligen und heutigen Kursverfalls sind Gegenstand der Spekulation über Kartelle, dubiosen Hintermännern und anderen Gestalten und sollen dementsprechend an dieser Stelle nicht besprochen werden. Viel eher stehen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Jahre 2008 und 2011 im Vordergrund. Damals wurden nicht wenige aus ihrem Tiefschlaf geweckt, viele Menschen machten sich ihre Gedanken um das Weltfinanzsystem. Die wenigsten von ihnen sind seit diesem Zeitpunkt der Ansicht, dass unser derzeitiges Papiergeld-System, in dem "Geld" durch nichts gedeckt ist und dementsprechend mit einem Mausklick erschaffen werden kann, der Weisheit letzter Schluss ist. Viel eher begriffen die Menschen, dass etwas nicht stimmt.

Dieses diffuse Gefühl veranlasste Menschen dazu, sich tiefergehend mit dem heute vorherrschenden Finanzmarkt-Kapitalismus zu beschäftigen. Sie erfuhren, dass das "Wachstum", welches angloamerikanische Großbanken erwirtschafteten, nicht viel mehr war, als ein riesiges Schneeball-System, in dem der verliert, der zum Ende der Musik die Scheiße, die er in seinen Händen hielt, nicht einem anderen Doofen angedreht hatte.

2008 begnügten sich auch Viele damit, dass Milliarden und Billionen zur Rettung eines Systems aufgewendet wurden, welches die Meisten gar nicht verstanden hatten. Ferner unterstützten sie diese Rettungsversuche der Nationalstaaten auch noch, immerhin ging es ums System. Drei Jahre später zeigt sich nun, dass diese Unterstützung bröckelt. Auch wird die Frage, wie viel Rettungen und wie viele Milliarden denn noch notwendig seien, um das (nicht zu rettende) System zu schützen, offen gestellt.

Der Gipsnacken Deutschlands jedenfalls zeigte sich am Sonntag in einer Fernsehsendung betont resolut. Der hohle Hosenanzug verdingte sich die Zeit mit einem netten Plausch und mit einem noch viel netteren Fragensteller. Beruhigung war das oberste Gebot der Stunde. Da verkam der Umstand, dass sich der Gast selbst eingeladen hatte, fast zur Randnotiz.

Im Gegensatz zu 2008ff. scheinen derartige Bemühungen in diesem Jahr von wenig Erfolg gekrönt zu sein. Die legendäre Versicherung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) verhinderte einen Banken-Run, wie beide heute freimütig zugeben. Er sei zwar rechtlich nicht unbedingt einwandfrei gewesen, aber immerhin habe er seine Wirkung nicht verfehlt. Diese Politik der verbrannten Erde verdeutlicht, wie schlimm es bereits damals um das System, was wir angeblich alle irgendwie unterstützen, stand. Der Köder von damals lockt heute niemanden mehr. Er ist zur erneuten Verwendung nicht geeignet.

Die Missachtung von grundsätzlichen Marktprinzipien, die sich Großbanken und Politiker gleichermaßen auf ihre jeweiligen Fahnen schreiben, zeigt doch vor allem, dass wir im Bezug auf Geldhäuser nicht mehr von einer Marktwirtschaft sprechen können. Das Risiko, einen Totalverlust mit seiner Unternehmung zu erleiden, gemeinhin auch als unternehmerisches Risiko bezeichnet, existiert nicht mehr, seit die Floskel "too big to fail" aufgekommen ist. Die Politik erteilt den mächtigen Finanzinstituten eine Absolution und die Völker feiern dies auch noch als gelungenen Coup. Dieses Verhalten erinnert an jenes von Sklaven, die sich darüber freuen, dass der Besitzer einen größere Profit eingefahren hat, unwissend, dass der größere Profit von heute das Minimum von morgen ist.

Im Unterschied dazu drängen sich im Jahr 2011 wesentlichere Fragen auf. Beispielsweise die, warum Banken eigentlich nicht pleite gehen dürfen oder warum Politiker über Steuergelder, die noch nicht mal abgeführt wurden und in den nächsten Jahren auch nicht abgeführt werden, in Milliardenhöhe entscheiden können, um Geldhäuser zu retten. Das Verständnis für die Rettungsaktionen schwindet und damit auch das Verständnis für das System des Westens, was bestenfalls als korrumpierter Kapitalismus zu bezeichnen ist, im schlechtesten Fall als ein Diktat der Geldelite.

Überhaupt erscheinen die Ideen, die dieser Tage durch die Medien schwirren, als wenig tragfähig. Noch mal ein paar Billionen mehr, damit endlich Ruhe ist, wenn auch nur Friedhofs-Ruhe. Im Idealfall sollte man darüber nachdenken, den Euro-Rettungsschirm mit unbegrenzten Finanzmitteln auszustatten. Auch eine Möglichkeit, die eigenen politischen Handlungen als alternativlos in Stein zu meißeln. Indes wird dieser wirklich nur noch als lächerlich zu bezeichnende Plan nicht umgesetzt werden, auch wenn US-Finanzminister Geithner den Europäern in den Ohren liegt, ja fast schon bettelt.
Frankreich steht kurz davor, sein Top-Rating AAA zu verlieren, womit den verschiedenen Euro-Rettungsschirmen ein gewichtiger Zahlerstaat abhanden kommen würde. Ob in einem solchen Fall des AAA-Verlusts davon ausgegangen werden kann, dass die jeweiligen Länder auch dann für den Notfall in anderen Euro-Ländern bereitstehen würden, wenn sie selbst Finanzierungsschwierigkeiten haben, darf bezweifelt werden. Zumindest dürfte der Unmut, für ein einzelnes oder mehrere andere Euro-Länder und deren Schulden gerade stehen zu müssen, in den jeweiligen Zahlerstaaten seitens der Bevölkerung durchaus groß sein. Deutschland hat sich übrigens gerade von der Ratingagentur S&P anhören dürfen, dass eine Ausweitung der EFSF auch Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit der Bundesrepublik hätte.

Die "alternativlosen" Rettungen waren nie alternativlos, sie wurden nur von Politikern durchgeführt, denen der Erhalt des Status quo über alles geht, auch und gerade über die eigene Bevölkerung. 2011 ist eine völlig andere Situation als noch 2008, eben weil Staaten wanken, eben weil immer mehr Menschen verstanden haben, dass das Weltwirtschaftswachstum zu einem guten Teil aus heißer Luft produziert wird und weil die Legitimation durch das Volk hüben wie drüben eher nicht als gegeben zu betrachten ist.
Auch wenn uns die gleichen Birnen den selben Mist erneut erzählen und darauf hoffen, dass der Dummbatz vor der Glotze dies nicht mitbekommt. Mal sehen, ob diese Hoffnung berechtigt ist...

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