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Donnerstag, 1. September 2011

Der Monat der Entscheidungen

Allerhand politisch gehaltvolles bietet der vor uns liegende September. Neben der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht bezüglich des Euro-Rettungsschirms und der Abstimmung im Bundestag zur Ausweitung der EFSF gibt es auch noch zwei Landtagswahlen. Für die Regierungskoalition und Merkel an ihrer Speerspitze könnte der September ein Monat der Entscheidungen werden, möglicherweise wird auch über die politische Zukunft der Ära Merkel entschieden. Eine Einstimmung.

Die letzten Tage waren von einer gespannten Ruhe geprägt. Der durch Veränderung der Spielregeln hervorgerufene zwischenzeitliche Absturz des Goldpreises um gut 200 US-Dollar binnen weniger Tage war kein geeignetes Thema, um die Gazetten zu füllen. Immerhin hat der Goldpreis nach der vorsichtigen Ankündigung von Helikopter-Ben Bernanke, Oberster Gelddrucker und Golddrücker der USA, eventuell vielleicht doch noch mal die Druckerpresse anzuwerfen, seine Verluste bereits wieder halbiert, momentan läuft der Preis seitwärts bei 1820-1830 US-Dollar. Die nun folgenden Wochen und Monate werden zeigen, ab wann sich das gelbe Metall wieder an die 1900er-Marke heranwagt und sie nachhaltig knacken kann.

Statt über unser heiß geliebtes Weltfinanzsystem zu schreiben, verlegten sich die großen Verlagshäuser lieber darauf, eine neue Runde des Spiels Westerwelle-Bashing einzuläuten. Fast hätte man das Gefühl bekommen können, dass sich die schreibende Zunft nichts sehnlicher wünschte als Westerwelle zu einem Rücktritt zu überreden, als ob damit auch nur ein fundamentales Problem der Bundespolitik gelöst worden wäre. Auf WiSoPol.de wurde die Causa Westerwelle bereits behandelt, u.a. hier.

Anstatt sich mit Personaldebatten aufzuhalten, müssten die etablierten Parteien viel eher die Wahltrommel rühren, angesichts der bevorstehenden Wahlen in Meck-Pomm und Berlin. In Mecklenburg-Vorpommern muss die FDP um den Einzug ins Landesparlament bangen, lediglich 4,5 Prozent würden die Liberalen einer Umfrage zufolge wählen. Die Grünen kommen in Meck-Pomm laut den Umfragen nicht über acht Prozent hinaus, würden somit allerdings erstmals in den Schweriner Landtag einziehen, während SPD und Linkspartei die Dienstwagen und -posten unter sich verteilen dürften. Zwar sei die Große Koalition "sehr harmonisch" gewesen, wie der derzeitige Ministerpräsident Sellering (SPD) betonte, dennoch wollte er ein rot-rotes Bündnis nicht ausschließen. Ein Wechsel des Koalitionspartners hätte für die SPD auch bundespolitisch eine Signalwirkung, dieser Tage macht es sich einfach gut, wenn die Sozialdemokraten von der CDU abrücken. Dass die Christdemokraten erneut in der Wählergunst verlieren, ist angesichts einer Kanzlerin Merkel nicht nur nicht verwunderlich, sondern auch begrüßenswert. Überdies hat es ja fast schon Tradition, dass die CDU mit Merkel an ihrer Spitze Landtagswahl um Landtagswahl (prozentual) verliert.

In Berlin stehen die Zeichen auch auf Wechsel, auch wenn Wowereit seinen Amtssitz im Roten Rathaus behalten dürfte. Die Linkspartei liegt bei knapp 11 Prozent, eigentlich zu wenig, um das rot-rote Bündnis aufrecht zu erhalten. Die Grünen punkten im urbanen Milieu Berlins, verpassen es aber aller Voraussicht nach, Künast als Bürgermeisterin zu installieren. Auch in Berlin wäre eine Große Koalition möglich, sie ist aber weitaus unwahrscheinlicher als in Meck-Pomm.

Bereits nächste Woche steht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an. Es geht bei diesem Urteil um die Frage, wie sehr sich der Bundestag künftig in Euro-Rettungsaktionen einmischen darf. Bislang muss sich die Regierung bei einer Inanspruchnahme der EFSF durch Euroländer nicht etwa dem gesamten Plenum stellen, es reicht schon "Einvernehmen" mit dem Haushaltsausschuss zu erzielen. Angesichts der Ausweitung auf nunmehr 211 Milliarden €, die Deutschland beiträgt, fordern die Abgeordneten, dass künftige Entscheidungen vom Plenum abgesegnet werden. Je nach dem, wie die Verfassungshüter entscheiden, wird die Regierung Merkel einen Vorschlag zur Abstimmung bringen, der sich am Urteil aus Karlsruhe orientieren dürfte.
Der Bundestag ist die einzige Institution auf Bundesebene, die direkt vom Volk legitimiert wird. Die parlamentarische Königsdisziplin, die in Artikel 115 Abs. 1 Grundgesetz eigentlich relativ klar geregelt ist, das Budgetrecht steht zur Disposition. Wenn sich ein Wolfgang Schäuble in einem Interview darüber auslässt, dass die EFSF doch handlungsfähig bleiben müsse und eine parlamentarische Mitsprache nur bedingt notwendig sei, dann muss auch die Frage erlaubt sein, welchem Herren er eigentlich noch dient. Naiv wie man so ist, könnte man ja annehmen, es ginge darum, der deutschen Bevölkerung zu dienen, immerhin hat diese seiner Partei zur Regierungsmehrheit verholfen. Es scheint aber fast so, als würde sich ein Herr Schäuble eher um die Befindlichkeiten der Europäischen Kommission, der EZB und der Euro-Gruppe sorgen. Alles demokratisch nicht-legitimierte Institutionen, wobei dies bei der EZB ja sogar zu begrüßen ist, immerhin sind unter politischer Kontrolle stehende Zentralbanken historisch betrachtet stets gescheitert. Überspitzt gesagt geht es beim Urteil des Bundesverfassungsgerichts darum, ob die BRD auch zukünftig eine parlamentarische Demokratie sein soll oder ein Gliedstaat der Europäischen Union.

Wenn dann das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, kommt es zur spannenden Abstimmung im Bundestag. Hier wollen die Regierenden - möglicherweise letztmalig - den Bundestag dazu bewegen, der Anhebung des EFSF zuzustimmen. Bereits im Vorfeld rumort es kräftig. Merkels schwarz-gelbe Truppe verfügt über eine eigentlich komfortable Mehrheit von 19 Stimmen. CDU-Innenpolitiker Bosbach schätzt die Zahl der Kritiker "auf vielleicht ein paar Dutzend". Wie viele von denen tatsächlich den Mut aufbringen, gegen Merkel und für ihre eigenen Überzeugungen zu stimmen, wird spannend zu sehen sein. Dennoch kommt die EFSF-Aufstockung durch den Bundestag, da die angeblich linken Parteien SPD und Grüne bereits signalisiert haben, der Ausweitung zuzustimmen. Dennoch wäre es für Merkel ein Debakel, sollte sie keine eigene Mehrheit zustande bringen. Eine Vertrauensfrage wäre auf kurz oder lang die logische Konsequenz.

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