Während sich die FDP zu einer nationalliberalen Partei entwickelt, loten Unionspolitiker ein Bündnis mit den Sozialdemokraten aus. Der Wunsch nach Kontinuität ist groß, nachdem zum Ende der vergangenen Woche die weltgrößten Zentralbanken die westlichen Politiker in helle Aufregung versetzten und abermals die Geldschleusen öffneten. Die Sozialdemokraten fordern ihrerseits Neuwahlen, es kommt für sie nicht in Betracht, erneut der Juniorpartner von Merkel zu sein.
Wirtschaftsminister Rösler (FDP) muss zusehends um den Rückhalt in seiner Partei fürchten. Es ist abzusehen, dass Teile der FDP der geplanten Aufstockung des aktuellen EU-Rettungsschirms EFSF nicht zustimmen werden. Was für Merkel hochnotpeinlich werden könnte, immerhin steht die prestigeträchtige Kanzlermehrheit zur Disposition, ist für die FDP die scheinbar einzige Möglichkeit, endlich mal wieder bei den Wählern zu punkten. Ob ihnen dies bereits bei der heutigen Wahl in Berlin gelingen wird, darf bezweifelt werden. Ein erneuter Rauswurf aus einem Landesparlament dürfte dieses Mal auch an Rösler kleben bleiben, da er versuchte, kurz vor der Wahl mit einer Kursänderung die Wähler auf seine Seite zu ziehen.
Auch wenn es der FDP bei der heutigen Wahl nicht gelingen sollte, die Fünf-Prozent-Marke zu überspringen, so ist die Absatzbewegung dennoch geeignet, künftig wieder mehr Leute dazu zu bewegen, ihr Kreuz bei der FDP zu machen. Viele Bundesbürger attestieren Merkel ein schlechtes Krisen-Management, die Mehrheit ist überdies gegen weitere Hilfen für die Euro-Krisenländer Griechenland und Co.
Der Coup könnte insofern klappen, als die FDP ihr Fähnchen in einen für sie günstigen Wind gehangen hat. Halten die Liberalen allerdings an ihrer Linie fest, so müssten sie sich auch auf den Verlust ihrer Regierungsbeteiligung einstellen.
Kanzlerin Merkel (CDU), ganz Machtmensch, sondiert bereits Möglichkeiten mit dem sozialdemokratischen Flügel ihrer Einheits-Partei, der SPD. Diese jedoch weiden sich momentan zusammen mit den Grünen in guten Umfragewerten und Wahlergebnissen. Es besteht folglich kaum ein Interesse daran, dass die Sozis als Juniorpartner in eine "Koalition für Deutschland" einsteigen. Die Erfahrungen damit sind alles andere als gut, bei der letzten Großen Koalition zwischen 2005 und 2009 heimste vordergründig die Merkel-CDU die Lorbeeren für die massiven Banken-, Euro- und Wirtschaftsrettungen ein, während die SPD dafür abgestraft wurde, sich als "Staatsräson"-Partei zu gerieren.
So oder so wird die Luft für Merkel also dünner. Ein Angebot der SPD und Grünen lautet, in Europa-Fragen den Kurs von Merkel mitzutragen, bis Neuwahlen zum Bundestag einen Machtwechsel im politischen Berlin einleiten. Dieses rot-grüne Regierungsbündnis würde Deutschland und Europa sehr gerne mit Eurobonds beglücken, es ist ebenso unkritisch gegenüber der EU und dürfte noch mehr Steuergelder zu den ohnehin schon schwachsinnig hohen Garantien hinzufügen, um den Euro zu retten.
Beim alles beherrschenden Thema dieser Tage dürfte also auch ein etwaiger Regierungswechsel wenig Veränderungen herbeiführen, außer vielleicht, dass der Posten des Finanzministers von einem nicht ganz so harten Hund besetzt wird. Der amtierende Minister Schäuble jedenfalls hat in den letzten Monaten hart daran gearbeitet, sein Image als eiserner Kassenwart Deutschlands zu hegen und zu pflegen. Ob dies einem Trittin (Grüne) auch gelingt, ist ungewiss, auch weil die vermeintlich linken Parteien wesentlich besser im Geld ausgeben sind.
Die Planspiele in der Bundespolitik kommen zur Unzeit. Vor wenigen Tagen öffneten die weltgrößten Zentralbanken ihre Geldschleusen und beglückten die Großbanken mit unbegrenzter(!) Dollar-Liquidität. Damit dürfte der Zusammenbruch der großen europäischen Geldhäuser, allen voran der französischen, fürs Erste vom Tisch sein. Die Maschine zum Geldverdienen wurde wieder angeworfen, selbstredend auf Kosten der Bürger und Steuerzahler, die einerseits mit einer höheren Inflation konfrontiert werden und andererseits mit dem Umstand, dass das Geld, welches nun den Großbanken hinterhergeworfen wird, an anderer Stelle fehlt. Aber gut, Großbanken sind nunmal systemrelevant, während Bildung, Sozialversicherungen, Infrastruktur und andere Annehmlichkeiten des Westens hinten angestellt werden. Die Zentralbanken, die ihre Unabhängigkeit gegenüber der Politik immer mehr verlieren, wenn sie sie jemals gehabt haben sollten, vergessen dabei aber die Völker. Diese werden sich irgendwann die Frage stellen, ob sie ein derartiges System überhaupt wollen, in dem Geldhäuser gerettet werden, während immer breitere Bevölkerungsschichten verarmen.
Somit könnte sich der absehbare rot-grüne Wahlerfolg als Pyrrhussieg entpuppen. Es erscheint allerdings auch möglich, dass Griechenland als eine Art Bauernopfer die EU und die Euro-Zone verlässt. Das ewige Gequake, ein Austritt sei rechtlich nicht möglich, ist an Dummdreistigkeit kaum mehr zu überbieten. Selbstverständlich kann ein Land aus der EU und somit aus dem Euro austreten, Artikel 50 des EU-Vertrages regelt den freiwilligen Austritt aus der Union. Ein Rauswurf ist hingegen nicht möglich. Nun sind aber die Daumenschrauben, die Griechenland angelegt wurden, für hellenische Verhältnisse bereits bis zum Bersten gespannt. Die griechische Regierung sieht sich einem Volk gegenüber, welches die Sparmaßnahmen auf zunehmende Weise nicht mehr zu Tragen bereit ist. Da Griechenland auch medial im Fadenkreuz ist, könnte der Plan lauten, dass die Hellenen austreten und Merkel sich dafür anschließend feiern lassen könnte, weil die sparfaulen Griechen ja daran Schuld sind, dass die EU kleiner geworden ist.
Auch damit wäre aber lediglich Zeit gewonnen, da über weit mehr Länder der Pleitegeier kreist. Portugal, Irland, Spanien und Italien stehen schon in der Schlange, um von den Finanzmärkten "getestet" zu werden. Bei diesem Test dürfte beispielsweise die spanische Schuldenbremse, die ja in neun(!) Jahren eingeführt werden soll, nichts helfen.
Die Ablösung Merkels erscheint jedenfalls - um sich mal eines der Lieblingswörter unserer Kanzlerin zu bedienen - alternativlos. Ein Regierungswechsel allein macht aber noch keinen Politikwechsel. Ob nun mit oder ohne Merkel, der europäische Eiertanz wird mit ihrer Ablösung nicht aufhören...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen