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Sonntag, 16. Oktober 2011

Die okkupierte Okkupation

Nach den gestrigen weltweiten Protesten macht sich in Deutschland Ernüchterung breit. Trotz unerwarteter Unterstützung seitens der Hauptstrom-Medien beläuft sich die Zahl der Teilnehmer auf wohlwollend geschätzte 40.000 und liegt somit unterhalb der Zuschauerzahl, die sich gestern das Bundesliga-Spiel zwischen Bayern München und Hertha BSC Berlin im Stadion angeguckt haben.

Das diffuse Gefühl, im vermeintlichen Kapitalismus laufe etwas falsch, veranlasste tausende Menschen am Samstag dazu, auf die Straßen zu gehen. Doch was genau falsch läuft, welche systemischen Wurzeln von Fäulnis befallen sind, war an diesem Tag nicht so wichtig. Eine stärkere Regulation der Banken war eine der Forderungen. Mehr soziale Gerechtigkeit und der freie Zugang zur Bildung rundeten das linke Potpourri ab. Den Blick hinter die Kulissen des wirtschafts-politischen Komplexes wagten nur wenige.

Nicht nur die ausufernde Berichterstattung der alteingesessenen Medien wunderte verschiedenste Beobachter. Auch die Okkupation der Besetzungs-Bewegung durch "Globalisierungkritiker" wie attac sorgte hier und da für Verwunderung. Nicht etwa das Zentralbank-System war Kern der Kritik, auch nicht die Probleme, die ungedecktes Geld mit sich bringt. Viel eher ging es dumpf darum, die Großbanken an den Pranger zu stellen. Selbstredend sind die nicht enden wollenden Rettungen und Stützungen für Privatbanken kritisch zu hinterfragende Aktionen, sie sind allerdings lediglich ein Symptom für das tiefergehende Problem des Schuldgeld-Systems.

Auch die Unterstützung von "linken" Parteien ließ aufhorchen. Grüne und SPD ließen sich nicht lange bitten, sie machten sich schnell mit den Protestlern gemein und begrüßten die Demonstrationen gegen die Macht der Banken und Finanzmärkte.

Dass die Finanzmärkte derart mächtig sind, liegt jedoch zu einem nicht unerheblichen Teil daran, dass die westlichen Regierungen sie gewähren ließen, auch weil die Finanzindustrie in den USA, Großbritannien und anderswo erheblich zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Insofern mutet die Solidarisierung von den Parteien, die der Entfesselung der Finanzmärkte Vorschub leisteten, doch ziemlich obskur an. Wer hat die Banken derart groß werden lassen, wer hat Fusionen zugestimmt, sollte eine Zustimmung seitens der Politik überhaupt notwendig gewesen sein?

Auch Gewerkschaften machten sich mit der Besetzungs-Bewegung gemein. Auch sie sind aber nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Systems, welches kritisiert werden sollte. Es ist doch schizophren, wenn Gewerkschaften, die seit Jahren immer weniger Mitglieder haben und für diese bis auf wenige Ausnahmen Löhne aushandeln, die unter dem Motto "Lohnzurückhaltung" durchgedrückt werden, auf einmal gegen die soziale Ungerechtigkeit wettern und sich dem Guy Fawkes-Maskenball anbiedern.

Eines jedenfalls hatten die gestrigen Proteste mit der Politik gemein: Sie verlegten sich nicht darauf, grundlegend etwas ändern zu wollen, sondern wollten durch das Herumdoktorn an seit langem bekannten Symptomen etwas bewirken.

Der mediale Hype um die Besetzungs-Bewegung jedenfalls sorgte dafür, dass wesentliche Nachrichten nur bedingt die Masse erreicht haben dürften. Außenminister Westerwelle (FDP) sprach im BamS-Interview von der Notwendigkeit, in der Öffentlichkeit über das "neue Europa" und nicht hinter verschlossenen Türen von Ministerräten zu sprechen. Was mit einem "neuen Europa" gemeint ist, wurde aus dem Interview indes nicht klar ersichtlich. Westerwelle jedenfalls wolle einen Konvent nach Artikel 48 EU-Vertrag einberufen, um eine Stabilitätsunion in Europa zu errichten. Es ist allerdings kaum vorstellbar, dass zum momentanen Zeitpunkt und auf absehbare Zeit hinaus der Wille bei den Völkern Europas vorhanden sein wird, einer weitergehenden Ausdehnung der Brüsseler Zuständigkeiten zuzustimmen.
In China droht derweil Ungemach, eine eitrig-gelbe Blase könnte im Riesenreich platzen. Und welche Geldhäuser in den nächsten Tagen untergehen könnten, war an diesem Wochenende auch nicht mehr von Belang, weil ein breites linkes Netzwerk zum Protest gegen Banken getrommelt hatte. Nicht der Umstand, dass es sich um linke Parteien und Gruppierungen handelt, ist das Problem, sondern die Tatsache, dass nicht die Individuen am Samstag im Vordergrund standen, wohl aber Fähnchen von attac & Co.

2 Kommentare:

  1. Ich hab in Berlin ein paar Leute getroffen die mit Schildern bewaffnet sich zwischen Demonstranten und Polizisten gestellt haben und scheinbar völlig unbeteiligt Werbung für eine NeuDeutschland Messe gemacht haben. Hab sie mal Angesprochen wie sie den auf die Idee kommen grade auf einer Demo so was zu tun. Sie meinten nur das es an der Zeit ist für etwas Neues und das Sie dies auf ihrer Messe ausstellen würden. Sie sehen keinen Sinn darin sich gegen Banken oder Regierungen auf zu lehnen sondern halten es für Konstruktiver einfach ein völlig neues Gesellschaftssystem auf zu bauen.

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  2. Neues Deutschland? Eine Kultur der Selbstversorger

    Der Weg in die wahre Freiheit geht immer über die Selbstversorgung.


    M.f.G

    Habnix

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