Wie zu erwarten war, hat der Bundestag am Freitag einer erneuten Teil-Entmachtung seiner selbst zugestimmt. Angesichts der nahenden Sommerpause stand den werten Damen und Herren Volksvertreter der Sinn wohl nicht unbedingt nach einer eingehenden Prüfung des ESM- und "Fiskalpakt"-Gesetzes. Dies wird nun das Bundesverfassungsgericht und der Präsident ebendieses, Andreas Voßkuhle, übernehmen müssen.
Eine Abstimmung nach Maß für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Über 490 Abgeordnete stimmten den Gesetzen, die Gegenstand Tausender Verfassungsklagen sind, zu, 414 wären zum Erreichen der Zweidrittel-Mehrheit notwendig gewesen. Da war es für Merkel auch zu verschmerzen, dass sie ihrer Regierungskoalition nicht die prestigeträchtige Kanzlermehrheit abringen konnte. Ohnehin kennt Frau Merkel dies ja bereits aus vorherigen Abstimmungen. Während der stundenlangen Debatte im Plenum und den am Rande geführten Interviews verdichtete sich jedenfalls der Eindruck, dass es den Parlamentariern wahrlich nicht leicht fiel, den Gesetzen zuzustimmen. Längst überwunden geglaubte Worthülsen machten die Runde, unter anderem von Alternativlosigkeit war seitens der SPD die Rede.
Immer wieder verwiesen die ESM-Befürworter von CDUCSUFDPSPDGrüne auch darauf, dass bei etwaigen künftigen Ausweitungen des ESM der Bundestag "beteiligt" werden würde. Dies stünde im Gesetz. Selbstredend steht es nicht im - völkerrechtlich gesehen - eigentlich entscheidenden Gesetz, sondern in einem Begleitgesetz. Es ist also, wenn die Regierung und insbesondere der deutsche Vertreter im ESM-Gouverneursrat es darauf anlegten, prinzipiell egal, ob und was der Bundestag entscheidet: Bindend ist lediglich das Wort des deutschen ESM-Gouverneurs, momentan wäre das Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die ESM-Gouverneure genießen bezüglich ihrer Entscheidungen in diesem Gremium übrigens Immunität.
In den vielen vielen Klageschriften, die von heute an Karlsruhe erreichen, gibt es noch zahlreiche weitere Punkte, die eine wohlwollende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unwahrscheinlich erscheinen lassen. Andererseits dürfte der politische Druck auf die Richter um Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle enorm sein, könnten sie mit ihrer möglicherweise "negativen" Entscheidung für Europa doch die jahrelangen und zähen Bemühungen der Politiker zur "Krisen-Bekämpfung" zunichte machen. Karlsruhe indes darf sich um die Befindlichkeiten unserer Repräsentanten nicht scheren, das Gericht hat mit der Beantwortung der Frage, ob die Grenzen unseres Grundgesetzes durch den ESM und den Fiskalpakt bereits berührt oder überschritten wurden, bereits genug zu tun.
Ob sich Voßkuhle und Co. jedoch so ganz frei machen können von diesem Druck, muss stark bezweifelt werden. Und dennoch avanciert das Karlsruher Gericht wieder einmal zum wichtigsten Organ unserer Verfassung: Dort wird sich entscheiden, ob die Ideen der europäischen Staats- und Regierungschefs mit unserer Verfassung vereinbar sind, paradoxerweise geschieht dies nicht in unserem Parlament. Vor dem Hintergrund, dass Merkel auf dem Krisengipfel immerhin die Eurobonds verzögern konnte, dafür aber direkten ESM-Zahlungen an spanische und italienische Geldhäuser abnicken und damit eine ihrer Kernforderungen räumen musste, erscheinen die Abstimmungen im willfährigen Bundestag und Bundesrat als demokratische Folklore. Die gewählten Parlamentarier verabschiedeten ein Gesetz, von dem sie wussten, dass es bereits wieder "veraltet", will meinen: gebrochen worden war. Völlig zu Recht sprechen Kritiker des ESM von einer Verballhornung des Gesetzgebungsprozesses, die für sich genommen bereits ausreicht, um dem höchstrichterlichen Urteil optimistisch entgegen zu blicken.
Nachdem sich der Bundestag in europäischen Fragen nun also erneut teilentmachtet hat und sich der geneigte Beobachter die Frage stellt, wie viele Teile es denn eigentlich noch gibt, die man an Brüssel abtreten könnte, wird deutlich, welche Verantwortung die Richter am Bundesverfassungsgericht mit ihrem Urteil zu Fiskalpakt und ESM übernehmen. Sie entscheiden schließlich darüber, ob das deutsche Volk in der urdemokratischsten Form über die europäische Idee und über die Brüsseler Auswüchse hinsichtlich Bürokratie und dem Fehlen der demokratischen Legitimation zu befinden hat oder nicht. Während sich die Politik darauf verlegt, kurzfristige Maßnahmen zur angeblichen Bekämpfung der Krise zu ergreifen, die bestenfalls als Verschlimmbesserung zu bezeichnen sind, sind die Karlsruher Richter dazu aufgerufen, darüber zu befinden, ab welchem Punkt die Bevölkerung gefragt werden muss und ob dieser Punkt bereits erreicht ist.
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Samstag, 30. Juni 2012
Mittwoch, 27. Juni 2012
Solange ich lebe. Merkels Vertrauensfrage
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihre politische Zukunft daran geknüpft, dass es keine Vergemeinschaftung von den Schulden Europas durch die sogenannten Eurobonds gibt. Im Werfen von Nebelkerzen war unsere Regierungschefin schon immer gut, neu ist aber, dass sie ihre eigene Zukunft an ihre Forderungen knüpft.
Martialisch mutete Merkel gestern an: Solange sie lebe, werde es keine Eurobonds geben, sagte die CDU-Chefin bei ihren liberalen Koalitionspartnern. Nun trägt eine derartige Aussage in sich bereits etwas absolutistisches, fast so, als sehe Merkel sich selbst als eine Art Königin, ihrer Parteizugehörigkeit nach könnte sie die Kanzlerschaft gar mit einer Kaiserinnen-Herrschaft verwechselt haben.
Und doch lenkt Merkel mit ihrer Aussage bezüglich der Eurobonds nur von den anstehenden Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat über den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM, der für alle Zeit Gültigkeit hat und folglich nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, und den Fiskalpakt ab. Sie geriert sich als Kämpferin für deutsche Interessen in Europa, als Bewahrerin des deutschen Steuersäckels, während sie die politische Grundstruktur Deutschlands, nach der der Bundestag darüber zu befinden hat, wie viel Geld wo hin fließt, aufzulösen versucht und damit das geltende Grundgesetz in letzter Konsequenz abzuschaffen gedenkt.
Nun steht morgen also der EU-Gipfel an. Von allen Seiten kriegt die Regierung um Merkel zu hören, dass nun ein großer Wurf vonnöten sei, um Europa zu retten. In ihrer heutigen Regierungserklärung erteilte Merkel einem großen Wurf - wie in der Vergangenheit auch - eine klare Absage. Sie steht weiterhin für eine Politik der kleinen Schritte, während die Welt die Stirn in Falten legt und sich über das Gebaren der Pfarrerstochter aus Hamburg wundert. Sie wird zurückkehren und verkünden, dass sie die Vergemeinschaftung von Schulden verhindert habe und erklären, weshalb sie im Gegenzug allen anderen Punkten des Brüsseler Wunschzettels zustimmen musste.
Es geht hintergründig aber nicht um eine etwaige Schuldenvergemeinschaftung, sondern um die fortwährende Aushöhlung des deutschen Parlaments. Das Merkelsche Machtwort bezüglich der Eurobonds geht insofern am Thema vorbei, als es eine Absage ist, die selbstverständlich sein sollte. Zumindest wenn man die derzeit geltenden europäischen Verträge für bare Münze nimmt und das Grundgesetz achtet. Letzteres wird in Karlsruhe überprüft werden und ich wiederhole mich an dieser Stelle sehr gerne: Der ESM ist mit unserer Verfassung nicht zu machen.
Martialisch mutete Merkel gestern an: Solange sie lebe, werde es keine Eurobonds geben, sagte die CDU-Chefin bei ihren liberalen Koalitionspartnern. Nun trägt eine derartige Aussage in sich bereits etwas absolutistisches, fast so, als sehe Merkel sich selbst als eine Art Königin, ihrer Parteizugehörigkeit nach könnte sie die Kanzlerschaft gar mit einer Kaiserinnen-Herrschaft verwechselt haben.
Und doch lenkt Merkel mit ihrer Aussage bezüglich der Eurobonds nur von den anstehenden Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat über den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM, der für alle Zeit Gültigkeit hat und folglich nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, und den Fiskalpakt ab. Sie geriert sich als Kämpferin für deutsche Interessen in Europa, als Bewahrerin des deutschen Steuersäckels, während sie die politische Grundstruktur Deutschlands, nach der der Bundestag darüber zu befinden hat, wie viel Geld wo hin fließt, aufzulösen versucht und damit das geltende Grundgesetz in letzter Konsequenz abzuschaffen gedenkt.
Nun steht morgen also der EU-Gipfel an. Von allen Seiten kriegt die Regierung um Merkel zu hören, dass nun ein großer Wurf vonnöten sei, um Europa zu retten. In ihrer heutigen Regierungserklärung erteilte Merkel einem großen Wurf - wie in der Vergangenheit auch - eine klare Absage. Sie steht weiterhin für eine Politik der kleinen Schritte, während die Welt die Stirn in Falten legt und sich über das Gebaren der Pfarrerstochter aus Hamburg wundert. Sie wird zurückkehren und verkünden, dass sie die Vergemeinschaftung von Schulden verhindert habe und erklären, weshalb sie im Gegenzug allen anderen Punkten des Brüsseler Wunschzettels zustimmen musste.
Es geht hintergründig aber nicht um eine etwaige Schuldenvergemeinschaftung, sondern um die fortwährende Aushöhlung des deutschen Parlaments. Das Merkelsche Machtwort bezüglich der Eurobonds geht insofern am Thema vorbei, als es eine Absage ist, die selbstverständlich sein sollte. Zumindest wenn man die derzeit geltenden europäischen Verträge für bare Münze nimmt und das Grundgesetz achtet. Letzteres wird in Karlsruhe überprüft werden und ich wiederhole mich an dieser Stelle sehr gerne: Der ESM ist mit unserer Verfassung nicht zu machen.
Donnerstag, 21. Juni 2012
Karlsruhe verzögert ESM
Das Bundesverfassungsgericht bittet Bundespräsident Joachim Gauck um Aufschub und torpediert somit die Pläne der europäischen Staats- und Regierungschefs, den undemokratischen dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM zum 1. Juli zu installieren.
Erst gestern hatte ich geschrieben, dass Karlsruhe den ESM aus verfassungsrechtlicher Sicht eigentlich nicht passieren lassen dürfte, heute nun kam es zu einem ersten Etappensieg für diejenigen, die Staatsorgane wie den Bundestag für wichtig erachten.
Das Bundesverfassungsgericht bittet unseren Bundesgrüßaugust Gauck darum, dass Gesetz zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) nicht zu unterschreiben. Die Verfassungsrichter um Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle ziehen damit vorerst die Reißleine und fahren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in die Parade. Diese benötigt die ESM-Milliarden, um den in Brand stehenden spanischen Bankensektor und den nahenden Bailout für Italien zu finanzieren. Wie eine Sprecherin des Verfassungsgerichts erklärte, gehe selbiges davon aus, "dass der Bundespräsident wie in der Vergangenheit auch dieser Bitte nachkommen wird und das Gericht so genügend Zeit zur Prüfung hat".
Noch gibt es kein ESM-Gesetz, welches vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden wäre, die Abstimmung wird für nächsten Freitag (29. Juni) erwartet. Es wäre also ohnehin äußerst knapp geworden, den ESM bis zum 1. Juli in Kraft zu setzen, auch vor dem Hintergrund, dass dieser längst nicht in allen Euro-Staaten ratifiziert worden ist. Der europäische Stabilitätsanker Deutschland droht nun mit schlechtem Beispiel voranzugehen.
Wenn Bundestag und Bundesrat Ende Juni den ESM verabschieden sollten, würde dieser dennoch nicht sofort in Kraft treten, da jedes Gesetz vom Bundespräsidenten unterzeichnet werden muss. Dabei muss er penibel darauf achten, dass das zu unterschreibende Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Insofern ist die Bitte aus Karlsruhe, die eigentlich eine Aufforderung ist, ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Bundesregierung.
Gerichtspräsident Voßkuhle hatte vor einigen Monaten in einem seiner seltenen Interviews bereits angedeutet, dass die europäische Integration bereits an den Grenzen des Grundgesetzes kratzt, weitere Kompetenzübertragungen nach Brüssel sind folglich kaum möglich. Die zu erwartenden Klagen gegen den ESM - unter anderem die Linken wollen mit Eilanträgen vor dem Gericht versuchen, den ESM zu stoppen - ließen die Richter in Karlsruhe anscheinend aufhorchen und trugen wesentlich zu der Entscheidung bei, den Bundespräsidenten darum zu bitten, das Gesetz vorerst nicht zu unterschreiben.
Natürlich ist die Gefahr, die vom ESM für den bundesdeutschen Parlamentarismus ausgeht, mit der Bitte um Aufschub nicht gebannt, wohl aber verdichten sich damit die Anzeichen, dass Karlsruhe den ESM in seiner jetzigen Form für verfassungswidrig erklären könnte. Interessant wird nun zu sehen sein, was Bundespräsident Gauck macht. Denn immerhin könnte er, rein theoretisch, der Bitte des Verfassungsgerichts nicht nachkommen und das ESM-Gesetz "nach eingehender Prüfung" binnen Stunden unterschreiben und niemand könnte unser Staatsoberhaupt daran hindern. Andererseits würde er sich damit als jemand outen, dem verfassungsrechtliche Bedenken egal sind, was man von Gauck, trotz seiner jüngsten Auslassungen über Militäreinsätze, eigentlich nicht erwarten kann.
Update: Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, beugt sich Gauck der "Bitte" aus Karlsruhe und wird das Gesetz vorerst nicht unterschreiben.
Reloaded: ESM oder Demokratie?
Erst gestern hatte ich geschrieben, dass Karlsruhe den ESM aus verfassungsrechtlicher Sicht eigentlich nicht passieren lassen dürfte, heute nun kam es zu einem ersten Etappensieg für diejenigen, die Staatsorgane wie den Bundestag für wichtig erachten.
Das Bundesverfassungsgericht bittet unseren Bundesgrüßaugust Gauck darum, dass Gesetz zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) nicht zu unterschreiben. Die Verfassungsrichter um Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle ziehen damit vorerst die Reißleine und fahren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in die Parade. Diese benötigt die ESM-Milliarden, um den in Brand stehenden spanischen Bankensektor und den nahenden Bailout für Italien zu finanzieren. Wie eine Sprecherin des Verfassungsgerichts erklärte, gehe selbiges davon aus, "dass der Bundespräsident wie in der Vergangenheit auch dieser Bitte nachkommen wird und das Gericht so genügend Zeit zur Prüfung hat".
Noch gibt es kein ESM-Gesetz, welches vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden wäre, die Abstimmung wird für nächsten Freitag (29. Juni) erwartet. Es wäre also ohnehin äußerst knapp geworden, den ESM bis zum 1. Juli in Kraft zu setzen, auch vor dem Hintergrund, dass dieser längst nicht in allen Euro-Staaten ratifiziert worden ist. Der europäische Stabilitätsanker Deutschland droht nun mit schlechtem Beispiel voranzugehen.
Wenn Bundestag und Bundesrat Ende Juni den ESM verabschieden sollten, würde dieser dennoch nicht sofort in Kraft treten, da jedes Gesetz vom Bundespräsidenten unterzeichnet werden muss. Dabei muss er penibel darauf achten, dass das zu unterschreibende Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Insofern ist die Bitte aus Karlsruhe, die eigentlich eine Aufforderung ist, ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Bundesregierung.
Gerichtspräsident Voßkuhle hatte vor einigen Monaten in einem seiner seltenen Interviews bereits angedeutet, dass die europäische Integration bereits an den Grenzen des Grundgesetzes kratzt, weitere Kompetenzübertragungen nach Brüssel sind folglich kaum möglich. Die zu erwartenden Klagen gegen den ESM - unter anderem die Linken wollen mit Eilanträgen vor dem Gericht versuchen, den ESM zu stoppen - ließen die Richter in Karlsruhe anscheinend aufhorchen und trugen wesentlich zu der Entscheidung bei, den Bundespräsidenten darum zu bitten, das Gesetz vorerst nicht zu unterschreiben.
Natürlich ist die Gefahr, die vom ESM für den bundesdeutschen Parlamentarismus ausgeht, mit der Bitte um Aufschub nicht gebannt, wohl aber verdichten sich damit die Anzeichen, dass Karlsruhe den ESM in seiner jetzigen Form für verfassungswidrig erklären könnte. Interessant wird nun zu sehen sein, was Bundespräsident Gauck macht. Denn immerhin könnte er, rein theoretisch, der Bitte des Verfassungsgerichts nicht nachkommen und das ESM-Gesetz "nach eingehender Prüfung" binnen Stunden unterschreiben und niemand könnte unser Staatsoberhaupt daran hindern. Andererseits würde er sich damit als jemand outen, dem verfassungsrechtliche Bedenken egal sind, was man von Gauck, trotz seiner jüngsten Auslassungen über Militäreinsätze, eigentlich nicht erwarten kann.
Update: Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, beugt sich Gauck der "Bitte" aus Karlsruhe und wird das Gesetz vorerst nicht unterschreiben.
Reloaded: ESM oder Demokratie?
Die knauserige US-Notenbank
Die gestrige Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hatte im Vorfeld Begehrlichkeiten bei den Investoren geweckt. Helikopter-Ben Bernanke würde die Geldschleusen öffnen, so die Hoffnung. Der Fed-Chef enttäuschte die Anleger jedoch, lächerliche 267 Milliarden US-Dollar will er für die Stützung der Wirtschaft bis zum Ende des Jahres aufwenden.
Die bereits seit September 2011 laufende "Operation Twist" wird von der Fed bis zum Ende des Jahres verlängert, teilte der Notenbank-Chef mit. Hinter dem Begriff verbirgt sich ein sogenannter Anleihentausch: Bernanke und seine Kumpanen werfen kurzfristige Anleihen, die meist nicht mehr als zwei bis fünf Jahre laufen, auf den Markt und können mit dem so vorhandenen Kapital langfristige US-Papiere kaufen, wodurch die Zinsen auf diese sinken, was wiederum gut für die Unternehmen und Verbraucher sein soll.
Die Märkte reagierten mit Ernüchterung, hatten doch nicht wenige Marktteilnehmer mit einer neuerlichen quantitativen Lockerung (QE3) gerechnet, also mit dem Ankauf von Staatsanleihen durch die Notenbank. Der monetäre Instrumentenkoffer in Übersee scheint weitestgehend leer zu sein, der Leitzins ist bereits auf historisch niedrige 0 bis 0,25 Prozent gesenkt worden, die Wirtschaft kommt dennoch nicht in die Gänge und US-Präsident Barack Obama muss ob der im November anstehenden Präsidentschaftswahl um seine zweite Amtszeit bangen. Wer wählt schon gerne einen Präsidenten, unter dessen Ägide der Arbeitsmarkt am Boden liegt?
Die gestrige Nicht-Entscheidung zeigt das Problem der Fed auf: Durch ein neues Anleihenkaufprogramm wäre die Inflation in den USA gestiegen. Zwar verweist die Fed lieber auf die sogenannte Kerninflationsrate, bei der die für die Bevölkerung nicht unerhebliche Geldentwertung bei der Energie sowie bei den Lebensmitteln gekonnt ausgeklammert wird, allerdings kann eine wie auch immer zurechtgebogene Inflationsrate die Menschen im Land der äußerst begrenzten Möglichkeiten nicht darüber hinweg täuschen, dass der Kühlschrank jeden Monat etwas leerer bleibt, obwohl man genauso viel verdient wie vor einem halben Jahr.
Wenn man sich vor Augen führt, dass Obama auf dem G-20-Gipfel im mexikanischen Nobel-Badeort Los Cabos mit dem Brustton der Überzeugung versucht hat, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weichzuklopfen und erneut Geldspritzen an die Junkies der Finanzplätze zu verteilen, ist die Entscheidung der Fed gelinde gesagt ein Armutszeugnis für die USA. Von den Europäern und insbesondere von Deutschland werden stets Maßnahmen zur "Stützung der Konjunktur und Weltwirtschaft" eingefordert, den eigenen Geldbeutel hält die USA aber schön geschlossen.
46,4 Millionen US-Bürger beziehen Lebensmittelmarken, die Arbeitslosigkeit ist für US-Verhältnisse auf äußerst hohe 8,2 Prozent angestiegen und dabei immer noch statistisch verzerrt. Dazu gesellt sich - und hier könnte der Grund für die knauserige Entscheidung der Fed liegen - ein Schuldenstand von 15,8 Billionen(!) US-Dollar. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt der USA macht dies offizielle 99% aus, wobei das BIP der USA auf ähnliche Weise aufgebläht ist wie der spanische Häusermarkt vor ein paar Jahren.
Das Portemonnaie der Fed kann zwar nie leer sein, dank der Rolle des US-Dollar als Weltreservewährung. Jedoch ist feszuhalten, dass es immer mehr aus Zwiebelleder zu bestehen scheint, denn auch wenn der Fed-Chef gestern nicht geweint hat, müsste ein Blick ins Staatssäckel Bernanke und Co. eigentlich die Tränen in die Augen treiben.
Die bereits seit September 2011 laufende "Operation Twist" wird von der Fed bis zum Ende des Jahres verlängert, teilte der Notenbank-Chef mit. Hinter dem Begriff verbirgt sich ein sogenannter Anleihentausch: Bernanke und seine Kumpanen werfen kurzfristige Anleihen, die meist nicht mehr als zwei bis fünf Jahre laufen, auf den Markt und können mit dem so vorhandenen Kapital langfristige US-Papiere kaufen, wodurch die Zinsen auf diese sinken, was wiederum gut für die Unternehmen und Verbraucher sein soll.
Die Märkte reagierten mit Ernüchterung, hatten doch nicht wenige Marktteilnehmer mit einer neuerlichen quantitativen Lockerung (QE3) gerechnet, also mit dem Ankauf von Staatsanleihen durch die Notenbank. Der monetäre Instrumentenkoffer in Übersee scheint weitestgehend leer zu sein, der Leitzins ist bereits auf historisch niedrige 0 bis 0,25 Prozent gesenkt worden, die Wirtschaft kommt dennoch nicht in die Gänge und US-Präsident Barack Obama muss ob der im November anstehenden Präsidentschaftswahl um seine zweite Amtszeit bangen. Wer wählt schon gerne einen Präsidenten, unter dessen Ägide der Arbeitsmarkt am Boden liegt?
Die gestrige Nicht-Entscheidung zeigt das Problem der Fed auf: Durch ein neues Anleihenkaufprogramm wäre die Inflation in den USA gestiegen. Zwar verweist die Fed lieber auf die sogenannte Kerninflationsrate, bei der die für die Bevölkerung nicht unerhebliche Geldentwertung bei der Energie sowie bei den Lebensmitteln gekonnt ausgeklammert wird, allerdings kann eine wie auch immer zurechtgebogene Inflationsrate die Menschen im Land der äußerst begrenzten Möglichkeiten nicht darüber hinweg täuschen, dass der Kühlschrank jeden Monat etwas leerer bleibt, obwohl man genauso viel verdient wie vor einem halben Jahr.
Wenn man sich vor Augen führt, dass Obama auf dem G-20-Gipfel im mexikanischen Nobel-Badeort Los Cabos mit dem Brustton der Überzeugung versucht hat, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weichzuklopfen und erneut Geldspritzen an die Junkies der Finanzplätze zu verteilen, ist die Entscheidung der Fed gelinde gesagt ein Armutszeugnis für die USA. Von den Europäern und insbesondere von Deutschland werden stets Maßnahmen zur "Stützung der Konjunktur und Weltwirtschaft" eingefordert, den eigenen Geldbeutel hält die USA aber schön geschlossen.
46,4 Millionen US-Bürger beziehen Lebensmittelmarken, die Arbeitslosigkeit ist für US-Verhältnisse auf äußerst hohe 8,2 Prozent angestiegen und dabei immer noch statistisch verzerrt. Dazu gesellt sich - und hier könnte der Grund für die knauserige Entscheidung der Fed liegen - ein Schuldenstand von 15,8 Billionen(!) US-Dollar. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt der USA macht dies offizielle 99% aus, wobei das BIP der USA auf ähnliche Weise aufgebläht ist wie der spanische Häusermarkt vor ein paar Jahren.
Das Portemonnaie der Fed kann zwar nie leer sein, dank der Rolle des US-Dollar als Weltreservewährung. Jedoch ist feszuhalten, dass es immer mehr aus Zwiebelleder zu bestehen scheint, denn auch wenn der Fed-Chef gestern nicht geweint hat, müsste ein Blick ins Staatssäckel Bernanke und Co. eigentlich die Tränen in die Augen treiben.
Mittwoch, 20. Juni 2012
ESM oder Demokratie?
Auf dem dauerhaften europäischen Rettungsschirm (ESM) ruhen die Hoffnungen der glühenden Europäer, die in ihrem Bestreben, den Euro zu retten und die EU nicht gegen die Wand zu fahren, zu vergessen scheinen, dass ein demokratisches Europa mit dem ESM schlechterdings nicht vorstellbar ist.
Es ist bereits viel zum ESM gesagt worden, über die Tatsache, dass er grundgesetzwidrig ist und darüber, wie undemokratisch, weil parlamentsaushöhlend er ist. Ich will an dieser Stelle die u.a. bei IK-News zusammengetragenen Punkte, die eben gesagtes untermauern, gar nicht wiederkäuen, sondern darstellen, weshalb selbst bei einer etwaigen Verabschiedung des ESM-Gesetzes im Bundestag dieser geplante "Stabilitätsmechanismus" nutzlos ist.
Sollte das Gesetz zum ESM, welchem durchaus Züge eines (Achtung, böses Wort!) Ermächtigungsgesetzes innewohnen, noch vor der Sommerpause von den Parlamentariern abgenickt werden, muss sich unsere Regierung um Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zunächst berechtigte Sorgen darüber machen, wie das Bundesverfassungsgericht den Umstand bewertet, dass der ESM-Gouverneursrat, in dem die Finanzminister der Länder sitzen, laut Artikel 9 des Vertrages genehmigtes, aber noch nicht eingezahltes Kapital "jederzeit abrufen" kann. Der ESM hat zunächst ein Volumen von 80 Milliarden Euro, die direkt eingezahlt werden und weiteren 620 Milliarden Euro. Dieses Volumen kann allerdings durch den Gouverneursrat, dessen Mitglieder Immunität genießen und folglich für ihre Entscheidungen nicht belangt werden können, beliebig erhöht werden. Dass dabei auf Deutschland die höchsten Lasten zukommen dürften, versteht sich von selbst.
Das Bundesverfassungsgericht als Hüter des Grundgesetzes hat sich in der jüngeren Vergangenheit stets dadurch hervorgetan, auf die Rechte des Bundestages hinsichtlich einer tiefergehenden "Integration Europas", womit die Kompetenzübertragung nach Brüssel stets euphemistisch verklausuliert wird, zu pochen und selbige zu stärken. In der Tradition seiner Entscheidungen dürfte es den ESM in seiner jetzigen Form nicht gutheißen, eben weil der Bundestag seiner Königsdisziplin, die Hoheit über den Bundeshaushalt zu haben, beraubt würde. Ein Parlament, das nicht über den Haushalt entscheidet, ist keins mehr, genauso wie sich ein Auto ohne Motor nur noch bedingt zur Fortbewegung eignet.
Da dieser Tage allerdings alles möglich scheint, muss man sich auch damit beschäftigen, was passiert, wenn Karlsruhe den ESM, mit welcher hanebüchenen Begründung auch immer, doch passieren lässt. Die Folge wäre wohl, dass mit den vielen Milliarden Spanien und Italien, mittelfristig aber auch Frankreich, gerettet werden müsste. Deutschland würde Zahlmeister Europas und könnte diese Rolle wohl auch für ein paar Monate ausfüllen. Allerdings würde der Tag X, an dem Deutschland seine Topbonität und damit seine Fähigkeit zur europäischen "Solidarität" verliert, unweigerlich näher rücken. Bereits heute schwindet das Vertrauen in Deutschland, weiterhin den Stabilitätsanker Europas zu mimen, massiv und große Fonds und Vermögensverwalter reduzieren ihr Engagement in deutsche Staatsanleihen. (siehe dazu Adieu, safe haven?)
Der ESM ist also insofern nutzlos, als er sich in die Riege der bisherigen Rettungsversuche einreiht, die die Lasten in die Zukunft und auf die noch solventen Länder Europas, neben Deutschland sind das die Niederlande, Finnland, Luxemburg und Österreich, verschieben. Das Undemokratische am ESM stellt zweifellos eine neue Qualität dar, jedoch muss hier festgehalten werden, dass die Europäische Union und ihre Vorgänger bei der Abwägung "Demokratie vs. Integration" stets letzterem den Vorzug gegeben haben. Es kann also eigentlich nicht wirklich überraschen, dass mit dem ESM nun erneut versucht wird, die Nationalstaaten, von denen das EU-Projekt eigentlich abhängt, in letzter Konsequenz obsolet werden zu lassen.
Unsere Bundeskanzlerin hatte ja ursprünglich geplant, den ESM bereits Ende des vergangenen Jahres durch den Bundestag zu bringen. Bereits im Februar wies ich auf die Möglichkeit hin, dass Merkel die Verabschiedung des ESM mit der Vertrauensfrage verknüpfen könnte, da die Widerstände gegen den ESM bei FDP und Union sehr groß sind. Die EU muss dennoch keine Angst vor einem deutschen Nein haben, die SPD und die Grünen stehen schließlich schon Spalier, um der eigenen Entmachtung zuzustimmen. Warum Merkel die ESM-Abstimmung auf den Sommer verlegt hat, in eine Zeit, in der die Nation gebannt auf die Spiele der Fußball-Nationalmannschaft blickt, bleibt der Fantasie der Leser überlassen...
Es ist bereits viel zum ESM gesagt worden, über die Tatsache, dass er grundgesetzwidrig ist und darüber, wie undemokratisch, weil parlamentsaushöhlend er ist. Ich will an dieser Stelle die u.a. bei IK-News zusammengetragenen Punkte, die eben gesagtes untermauern, gar nicht wiederkäuen, sondern darstellen, weshalb selbst bei einer etwaigen Verabschiedung des ESM-Gesetzes im Bundestag dieser geplante "Stabilitätsmechanismus" nutzlos ist.
Sollte das Gesetz zum ESM, welchem durchaus Züge eines (Achtung, böses Wort!) Ermächtigungsgesetzes innewohnen, noch vor der Sommerpause von den Parlamentariern abgenickt werden, muss sich unsere Regierung um Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zunächst berechtigte Sorgen darüber machen, wie das Bundesverfassungsgericht den Umstand bewertet, dass der ESM-Gouverneursrat, in dem die Finanzminister der Länder sitzen, laut Artikel 9 des Vertrages genehmigtes, aber noch nicht eingezahltes Kapital "jederzeit abrufen" kann. Der ESM hat zunächst ein Volumen von 80 Milliarden Euro, die direkt eingezahlt werden und weiteren 620 Milliarden Euro. Dieses Volumen kann allerdings durch den Gouverneursrat, dessen Mitglieder Immunität genießen und folglich für ihre Entscheidungen nicht belangt werden können, beliebig erhöht werden. Dass dabei auf Deutschland die höchsten Lasten zukommen dürften, versteht sich von selbst.
Das Bundesverfassungsgericht als Hüter des Grundgesetzes hat sich in der jüngeren Vergangenheit stets dadurch hervorgetan, auf die Rechte des Bundestages hinsichtlich einer tiefergehenden "Integration Europas", womit die Kompetenzübertragung nach Brüssel stets euphemistisch verklausuliert wird, zu pochen und selbige zu stärken. In der Tradition seiner Entscheidungen dürfte es den ESM in seiner jetzigen Form nicht gutheißen, eben weil der Bundestag seiner Königsdisziplin, die Hoheit über den Bundeshaushalt zu haben, beraubt würde. Ein Parlament, das nicht über den Haushalt entscheidet, ist keins mehr, genauso wie sich ein Auto ohne Motor nur noch bedingt zur Fortbewegung eignet.
Da dieser Tage allerdings alles möglich scheint, muss man sich auch damit beschäftigen, was passiert, wenn Karlsruhe den ESM, mit welcher hanebüchenen Begründung auch immer, doch passieren lässt. Die Folge wäre wohl, dass mit den vielen Milliarden Spanien und Italien, mittelfristig aber auch Frankreich, gerettet werden müsste. Deutschland würde Zahlmeister Europas und könnte diese Rolle wohl auch für ein paar Monate ausfüllen. Allerdings würde der Tag X, an dem Deutschland seine Topbonität und damit seine Fähigkeit zur europäischen "Solidarität" verliert, unweigerlich näher rücken. Bereits heute schwindet das Vertrauen in Deutschland, weiterhin den Stabilitätsanker Europas zu mimen, massiv und große Fonds und Vermögensverwalter reduzieren ihr Engagement in deutsche Staatsanleihen. (siehe dazu Adieu, safe haven?)
Der ESM ist also insofern nutzlos, als er sich in die Riege der bisherigen Rettungsversuche einreiht, die die Lasten in die Zukunft und auf die noch solventen Länder Europas, neben Deutschland sind das die Niederlande, Finnland, Luxemburg und Österreich, verschieben. Das Undemokratische am ESM stellt zweifellos eine neue Qualität dar, jedoch muss hier festgehalten werden, dass die Europäische Union und ihre Vorgänger bei der Abwägung "Demokratie vs. Integration" stets letzterem den Vorzug gegeben haben. Es kann also eigentlich nicht wirklich überraschen, dass mit dem ESM nun erneut versucht wird, die Nationalstaaten, von denen das EU-Projekt eigentlich abhängt, in letzter Konsequenz obsolet werden zu lassen.
Mittwoch, 13. Juni 2012
Adieu, safe haven?
Der Vermögensverwalter Pimco hat kaum mehr Bundesanleihen in seinen Depots. Dies liegt allerdings nicht an den negativen Realzinsen, die Bundesanleihen derzeit "bieten", sondern an ersten Zweifeln an der Rückzahlungsfähigkeit Deutschlands.
"Wir achten in erster Linie auf das Rückzahlungspotential und erst in zweiter Linie auf die Rendite", erklärte Andrew Bosomworth, Fondsmanager und Deutschland-Chef von Pimco, heute. Während das 100-Milliarden-Euro-Strohfeuer längst verpufft ist, gerät der "lender of last resort" Europas plötzlich selbst in erste Turbulenzen.
Nun könnte man ja denken, dass die Zinsen auf deutsche Anleihen derzeit ohnehin auf einem historisch niedrigen Niveau sind und es deshalb zu verschmerzen wäre, wenn die Zinsen auch auf Bundesanleihen moderat steigen. Das Problem ist der Grund für die momentan so niedrigen Zinsen, durch die sich Deutschland 50 Milliarden Euro Zinsdienst spart.
Die sind ja nicht deshalb so niedrig, weil Deutschland ein wirtschaftlich so prosperierendes Land ist, sondern weil auf der BRD die Hoffnung der anderen Staaten ruht, Europa monetär rauszupauken. Und diese Hoffnung ist auch nicht gänzlich unbegründet, angesichts der knapp 700 Milliarden Euro (!) umfassenden positiven Target2-Salden der Bundesbank. Blickt man auf die Zinsen, die die US-Anleihen derzeit bieten, erkennt man ziemlich gut, dass niedrige Zinsen nicht unbedingt etwas mit guten Wirtschaftsdaten zu haben müssen.
Natürlich spielt in die niedrigen Zinsen Deutschlands auch die Fluchtbewegung aus anderen europäischen Ländern hinein. Getreu dem Motto "Irgendwo muss das Geld schließlich angelegt werden" profitierte Deutschlands zuletzt von den Problemen der Euro-Krisenländer, zumindest was den Zinsdienst anbelangt. Dies dürfte sich durch die Erklärung von Pimco nun ändern.
Mit einer Prise Zynismus könnte man sagen, dass das Timing Pimcos besser nicht hätte sein können, wenige Tage vor der anstehenden Wahl in Griechenland. Sollte diese keine Regierung hervorbringen, die den Troika-Krisenkurs fortsetzt, dürfte es keine weiteren Zahlungen an Griechenland mehr geben, ein Euro-Austritt der Hellenen wäre wohl die Folge. Für diesen Fall warnte die Ratingagentur Fitch Mitte Mai, dass die Bewertung aller übrigen Euro-Staaten auf die Prüfliste für eine Herabstufung genommen werden würden. Ein solcher Schritt dürfte sich nicht unbedingt positiv auf die Zinsen Deutschlands auswirken, eine etwaiger Entzug des AAA-Ratings ebensowenig.
Allerdings könnte Brüssel gegenüber Athen auch nachgeben und einem Schuldenmoratorium oder einer Lockerung der Sparvorgaben zustimmen. Griechenland bliebe im Euro, allerdings droht der Eurozone in der Folge ein massives Vertrauensproblem sowie die Gefahr, dass ein derartiges Verhalten Schule macht in Europa. Das Leben auf Pump würde, eventuell leicht gebremst, auch in Madrid, Rom und Paris weitergehen, wodurch abermals lediglich eine Verschiebung der Probleme in die Zukunft stattfände. Der Bonität Kerneuropas und insbesondere Deutschlands würde man damit zudem einen Bärendienst erweisen, weshalb derartige Überlegungen in Berlin nicht ohne Missmut verfolgt werden dürften.
Andererseits hätte eine "Angleichung" der Zinssätze nach oben auch etwas "Gutes": Die Idee der Eurobonds wäre in einer solchen Hochzins-Union wesentlich einfacher umsetzbar. Zumindest in Brüssel dürfte dies für den einen oder anderen Freudensprung sorgen...
"Wir achten in erster Linie auf das Rückzahlungspotential und erst in zweiter Linie auf die Rendite", erklärte Andrew Bosomworth, Fondsmanager und Deutschland-Chef von Pimco, heute. Während das 100-Milliarden-Euro-Strohfeuer längst verpufft ist, gerät der "lender of last resort" Europas plötzlich selbst in erste Turbulenzen.
Nun könnte man ja denken, dass die Zinsen auf deutsche Anleihen derzeit ohnehin auf einem historisch niedrigen Niveau sind und es deshalb zu verschmerzen wäre, wenn die Zinsen auch auf Bundesanleihen moderat steigen. Das Problem ist der Grund für die momentan so niedrigen Zinsen, durch die sich Deutschland 50 Milliarden Euro Zinsdienst spart.
Die sind ja nicht deshalb so niedrig, weil Deutschland ein wirtschaftlich so prosperierendes Land ist, sondern weil auf der BRD die Hoffnung der anderen Staaten ruht, Europa monetär rauszupauken. Und diese Hoffnung ist auch nicht gänzlich unbegründet, angesichts der knapp 700 Milliarden Euro (!) umfassenden positiven Target2-Salden der Bundesbank. Blickt man auf die Zinsen, die die US-Anleihen derzeit bieten, erkennt man ziemlich gut, dass niedrige Zinsen nicht unbedingt etwas mit guten Wirtschaftsdaten zu haben müssen.
Natürlich spielt in die niedrigen Zinsen Deutschlands auch die Fluchtbewegung aus anderen europäischen Ländern hinein. Getreu dem Motto "Irgendwo muss das Geld schließlich angelegt werden" profitierte Deutschlands zuletzt von den Problemen der Euro-Krisenländer, zumindest was den Zinsdienst anbelangt. Dies dürfte sich durch die Erklärung von Pimco nun ändern.
Mit einer Prise Zynismus könnte man sagen, dass das Timing Pimcos besser nicht hätte sein können, wenige Tage vor der anstehenden Wahl in Griechenland. Sollte diese keine Regierung hervorbringen, die den Troika-Krisenkurs fortsetzt, dürfte es keine weiteren Zahlungen an Griechenland mehr geben, ein Euro-Austritt der Hellenen wäre wohl die Folge. Für diesen Fall warnte die Ratingagentur Fitch Mitte Mai, dass die Bewertung aller übrigen Euro-Staaten auf die Prüfliste für eine Herabstufung genommen werden würden. Ein solcher Schritt dürfte sich nicht unbedingt positiv auf die Zinsen Deutschlands auswirken, eine etwaiger Entzug des AAA-Ratings ebensowenig.
Allerdings könnte Brüssel gegenüber Athen auch nachgeben und einem Schuldenmoratorium oder einer Lockerung der Sparvorgaben zustimmen. Griechenland bliebe im Euro, allerdings droht der Eurozone in der Folge ein massives Vertrauensproblem sowie die Gefahr, dass ein derartiges Verhalten Schule macht in Europa. Das Leben auf Pump würde, eventuell leicht gebremst, auch in Madrid, Rom und Paris weitergehen, wodurch abermals lediglich eine Verschiebung der Probleme in die Zukunft stattfände. Der Bonität Kerneuropas und insbesondere Deutschlands würde man damit zudem einen Bärendienst erweisen, weshalb derartige Überlegungen in Berlin nicht ohne Missmut verfolgt werden dürften.
Andererseits hätte eine "Angleichung" der Zinssätze nach oben auch etwas "Gutes": Die Idee der Eurobonds wäre in einer solchen Hochzins-Union wesentlich einfacher umsetzbar. Zumindest in Brüssel dürfte dies für den einen oder anderen Freudensprung sorgen...
Dienstag, 12. Juni 2012
Der 17. Juni – Ein europäischer Schicksalstag
Was passiert am kommenden Sonntag in Griechenland? Nicht nur
Europa, die gesamte Welt blickt am 17. Juni gespannt nach Athen.
Aber eventuell kommt ja alles auch ganz anders: Die
griechischen Wähler könnten sich am Sonntag ja auch dazu entschließen, die
Parteien zu wählen, die ihnen seit Jahren immer neue Einsparungen abverlangen
und erwarten, dass die Bevölkerung den Gürtel immer noch enger schnallt, auch
wenn sie – um im Bild zu bleiben – schon längst keine Hose mehr hat, die mit
dem Gürtel festgehalten werden könnte. Die wurde nämlich schon an die
Kreditgeber weitergereicht…
Da die im Mai abgehaltene Parlamentswahl in Griechenland
nicht zu stabilen Verhältnissen und Mehrheiten geführt hat, müssen die
griechischen Bürger am kommenden Sonntag erneut an die Wahlurnen treten. Bei
diesem Wahlgang dürfte die Syriza-Partei um Alexis Tsipras, der die Austeritäts-Maßnahmen
rundheraus ablehnt, stärkste Kraft
werden. Eine Besonderheit im griechischen Wahlsystem, nach der die stärkste
Kraft im Parlament 50 Zusatzsitze erhält, dient eigentlich dazu, klare
Mehrheiten in dem 300 Sitze umfassenden Hohen Hause zu gewährleisten. Mit der
durch den rigiden Sparkurs hervorgerufenen Fragmentierung bzw. Zersplitterung
der griechischen Parteienlandschaft droht diese „Mehrheits-Prämie“ jedoch genau
das zu verhindern, was eigentlich ermöglicht werden soll: Auch wenn die
Syriza-Partei stärkste Kraft werden sollte, ist eine Koalitionsbildung nahezu
ausgeschlossen, es sei denn, eine der etablierten Parteien bekennt sich zur
Abkehr von eben jenem Sparkurs, den sie in der jüngeren Vergangenheit so
glühend verteidigten.
Wenn eine der etablierten Parteien, in Betracht kommt hier
nach den jüngsten Umfragen wenn überhaupt die konservative Nea Dimokratia (ND),
stärkste Kraft werden sollte, droht dennoch ein politischer Stillstand in
Athen, da die ND zusammen mit der sozialdemokratischen Pasok, der zweiten
etablierten Partei, beim ersten Urnengang keine tragfähige Mehrheit
zusammenbekam und die letzten Ergebnisse der repräsentativen Befragungen kaum
Hoffnung darauf machen, dass sich daran etwas ändert. Die beiden Parteien, die
noch am ehesten für ein „Weiter wie bisher!“ stehen, können also aller
Voraussicht nach keine parlamentarische Mehrheit organisieren und auch die
Syriza-Partei wird dies kaum bewerkstelligen können. Selbst wenn es ihr
gelingt: Das Ergebnis bliebe das gleiche wie bei dem eben erwähnten Stillstand
im politischen Athen, da nicht zu erwarten steht, dass sich die Syriza nach der Wahl um 180° dreht.
Wenn die internationalen Geldgeber auch nur den Funken von
Glaubwürdigkeit behalten wollen, den sie ja gerüchteweise noch hier und da
haben sollen, müssen die Hilfszahlungen an Griechenland eingestellt werden,
sobald sich das griechische Volk dazu entschließt, den Sparkurs nicht länger
mitzutragen. Die Folgen sind ein Staatsbankrott, Austritt aus der Währungsunion
und Wiedereinführung der (bereits gedruckten) Drachme. „Und dann scheint über
Europa wieder die Sonne, oder?“
Leider nicht. Mit dem skizzierten Griechenland-Austritt
beginnt der Schlamassel erst. Der Nimbus der Euro-Zone, nach dem ein Land,
welches einmal den Euro eingeführt hat, diesen auch bis auf alle Ewigkeit
behält, wäre mit dem Ende der griechischen Tragödie gebrochen. Vornehmlich für
Investoren jenseits des Atlantiks wäre es folglich lukrativ, darauf zu wetten,
dass weitere Länder aus der Währungsunion ausscheiden, wodurch eine
selbsterfüllende Prophezeiung eingeleitet wird: Wenn nur genügend Leute mit
großen Summen auf den Austritt von Portugal, Spanien oder Italien setzen, so
käme dieser auf kurz oder lang auch.
Der kommende Sonntag
ist als Schicksalstag des Euro anzusehen, der Wahlausgang in Griechenland wird
über nicht weniger als den weiteren Verlauf der europäischen Geschichte
entscheiden. Auch deshalb konnte das jüngste „Rettungspaket“, welches dieses
Mal für Spanien geschnürt wurde, die Märkte allenfalls für einige Stunden „beruhigen“,
wobei hierbei auch die, gemessen an den strukturellen Problemen und der
schieren Größe Spaniens, lächerliche Summe von 100 Milliarden Euro reinspielt.
Es scheint fast so, als hätten sich die europäischen Politiker in ihrer
Telefonkonferenz darauf verständigt, den spanischen Banken für eine weitere
Woche der vermeintlichen Ruhe 100 Milliarden Euro in Aussicht zu stellen, um
den Griechen nach dem zu erwartenden Wahlergebnis die Schuld für den Zerfall
des Euro in die Schuhe schieben zu können.
Die fortwährenden Kontoräumungen in Griechenland, jeden
Tag werden bis zu 500 Millionen Euro von den Hellenen abgehoben, können als
Blaupause für die künftige Entwicklung in Europa dienen. Der massive
Vertrauensverlust der europäischen Bevölkerungen in den Euro und in das Gebilde
EU trägt der Tatsache Rechnung, dass der eingeschlagene Kurs von Merkel und
Konsorten, die Märkte mit Geld zu fluten und dem Volk immer noch mehr
Sparmaßnahmen abzuverlangen, folgende Erkenntnis hervorgebracht hat: Das Europa
von heute ist kein Europa der Völker, sondern ein Europa für Banken.