Mittwoch, 20. Juni 2012

ESM oder Demokratie?

Auf dem dauerhaften europäischen Rettungsschirm (ESM) ruhen die Hoffnungen der glühenden Europäer, die in ihrem Bestreben, den Euro zu retten und die EU nicht gegen die Wand zu fahren, zu vergessen scheinen, dass ein demokratisches Europa mit dem ESM schlechterdings nicht vorstellbar ist.

Es ist bereits viel zum ESM gesagt worden, über die Tatsache, dass er grundgesetzwidrig ist und darüber, wie undemokratisch, weil parlamentsaushöhlend er ist. Ich will an dieser Stelle die u.a. bei IK-News zusammengetragenen Punkte, die eben gesagtes untermauern, gar nicht wiederkäuen, sondern darstellen, weshalb selbst bei einer etwaigen Verabschiedung des ESM-Gesetzes im Bundestag dieser geplante "Stabilitätsmechanismus" nutzlos ist.

Sollte das Gesetz zum ESM, welchem durchaus Züge eines (Achtung, böses Wort!) Ermächtigungsgesetzes innewohnen, noch vor der Sommerpause von den Parlamentariern abgenickt werden, muss sich unsere Regierung um Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zunächst berechtigte Sorgen darüber machen, wie das Bundesverfassungsgericht den Umstand bewertet, dass der ESM-Gouverneursrat, in dem die Finanzminister der Länder sitzen, laut Artikel 9 des Vertrages genehmigtes, aber noch nicht eingezahltes Kapital "jederzeit abrufen" kann. Der ESM hat zunächst ein Volumen von 80 Milliarden Euro, die direkt eingezahlt werden und weiteren 620 Milliarden Euro. Dieses Volumen kann allerdings durch den Gouverneursrat, dessen Mitglieder Immunität genießen und folglich für ihre Entscheidungen nicht belangt werden können, beliebig erhöht werden. Dass dabei auf Deutschland die höchsten Lasten zukommen dürften, versteht sich von selbst.

Das Bundesverfassungsgericht als Hüter des Grundgesetzes hat sich in der jüngeren Vergangenheit stets dadurch hervorgetan, auf die Rechte des Bundestages hinsichtlich einer tiefergehenden "Integration Europas", womit die Kompetenzübertragung nach Brüssel stets euphemistisch verklausuliert wird, zu pochen und selbige zu stärken. In der Tradition seiner Entscheidungen dürfte es den ESM in seiner jetzigen Form nicht gutheißen, eben weil der Bundestag seiner Königsdisziplin, die Hoheit über den Bundeshaushalt zu haben, beraubt würde. Ein Parlament, das nicht über den Haushalt entscheidet, ist keins mehr, genauso wie sich ein Auto ohne Motor nur noch bedingt zur Fortbewegung eignet.

Da dieser Tage allerdings alles möglich scheint, muss man sich auch damit beschäftigen, was passiert, wenn Karlsruhe den ESM, mit welcher hanebüchenen Begründung auch immer, doch passieren lässt. Die Folge wäre wohl, dass mit den vielen Milliarden Spanien und Italien, mittelfristig aber auch Frankreich, gerettet werden müsste. Deutschland würde Zahlmeister Europas und könnte diese Rolle wohl auch für ein paar Monate ausfüllen. Allerdings würde der Tag X, an dem Deutschland seine Topbonität und damit seine Fähigkeit zur europäischen "Solidarität" verliert, unweigerlich näher rücken. Bereits heute schwindet das Vertrauen in Deutschland, weiterhin den Stabilitätsanker Europas zu mimen, massiv und große Fonds und Vermögensverwalter reduzieren ihr Engagement in deutsche Staatsanleihen. (siehe dazu Adieu, safe haven?)

Der ESM ist also insofern nutzlos, als er sich in die Riege der bisherigen Rettungsversuche einreiht, die die Lasten in die Zukunft und auf die noch solventen Länder Europas, neben Deutschland sind das die Niederlande, Finnland, Luxemburg und Österreich, verschieben. Das Undemokratische am ESM stellt zweifellos eine neue Qualität dar, jedoch muss hier festgehalten werden, dass die Europäische Union und ihre Vorgänger bei der Abwägung "Demokratie vs. Integration" stets letzterem den Vorzug gegeben haben. Es kann also eigentlich nicht wirklich überraschen, dass mit dem ESM nun erneut versucht wird, die Nationalstaaten, von denen das EU-Projekt eigentlich abhängt, in letzter Konsequenz obsolet werden zu lassen.

Unsere Bundeskanzlerin hatte ja ursprünglich geplant, den ESM bereits Ende des vergangenen Jahres durch den Bundestag zu bringen. Bereits im Februar wies ich auf die Möglichkeit hin, dass Merkel die Verabschiedung des ESM mit der Vertrauensfrage verknüpfen könnte, da die Widerstände gegen den ESM bei FDP und Union sehr groß sind. Die EU muss dennoch keine Angst vor einem deutschen Nein haben, die SPD und die Grünen stehen schließlich schon Spalier, um der eigenen Entmachtung zuzustimmen. Warum Merkel die ESM-Abstimmung auf den Sommer verlegt hat, in eine Zeit, in der die Nation gebannt auf die Spiele der Fußball-Nationalmannschaft blickt, bleibt der Fantasie der Leser überlassen...

3 Kommentare:

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