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Freitag, 14. September 2012

Das ESM-Urteil - Ein Scheinerfolg für den Parlamentarismus

Karlsruhe hat sich also nicht getraut, jedenfalls nicht so richtig. Immerhin wurde das Haftungsrisiko von Voßkuhle und Co. begrenzt, könnte man einwenden. Der Bundestag soll es richten und obschon dieser im institutionellen Gefüge des politischen Systems in Deutschland eine exponierte Stellung einnimmt, kann er nur so gut oder schlecht sein wie die Leute, die in ihm wirken. Und hier beginnen die Probleme.

In Zeiten eines ganz offen praktizierten Fraktionszwangs und einer Regierungschefin, die offensichtlich die Zeit zurückdrehen und unter dem demokratischen Gewand eine absolutistische Herrschaftsform einführen möchte, ist der Richterspruch aus Karlsruhe das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht. An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass die Karlsruher Richter für diesen Umstand nicht wirklich etwas können, allenfalls das Verschließen der eigenen Augen hinsichtlich der politischen Realität ist ihnen vorzuwerfen.

Wenn die Richter darauf pochen, den Bundestag an der Euro-Rettung vollumfänglich zu beteiligen, dann ist das ja zunächst einmal eine gute Sache. Schließlich ist es immer besser, wenn die Legislative über den Haushalt entscheidet und nicht die Exekutive, namentlich unsere Regierung um Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Vor dem Hintergrund, was für Leute in unserem Parlament und insbesondere in den Regierungsfraktionen sitzen, wird jedoch ersichtlich, dass der bloße Hinweis auf die Etat-Kompetenz des Bundestages und deren Durchsetzung nicht wirklich ausreicht, um sich aus der Affäre zu ziehen. Allein der Umgang mit den "EUro-Skeptikern" in der Unions- und FDP-Fraktion gibt einen wichtigen Hinweis darauf, dass im Hohen Hause Deutschlands mehrheitlich Menschen sitzen, die eine krude und undemokratische Ideologie vertreten.

Ruft man sich dann noch in Erinnerung, wie viele von unseren Repräsentanten den ESM- und Fiskalvertrag durchgewinkt haben, ohne ihn überhaupt gelesen geschweige denn verstanden zu haben, zeichnet sich das Bild der willfährigen Wackeldackel fast schon von selbst. Mit all dem will Karlsruhe aus guten Gründen nichts zu tun haben. Dennoch steht das Verfassungsgericht zwangsläufig in eben jenem Spannungsfeld zwischen der demokratischen Notwendigkeit eines wehrhaften Parlaments und dem Wunsch der Finanzmärkte, die liquiditätsgetriebene Hausse nicht zu beenden. Immerhin war es an Karlsruhe, dem bunten Treiben in London, New York und Frankfurt den sprichwörtlichen Stecker zu ziehen, wenn es sich schon nicht die jeweiligen Parlamente getrauen. Es hat fast den Anschein, als ob sich das Gericht um Präsident Andreas Voßkuhle nicht über Gebühr die Finger schmutzig machen wollte, vielleicht wollte es sich selbige aber auch nur nicht verbrennen.

Wie dem auch sei, im Bundestag jedenfalls sind die alten Mechanismen, so zum Beispiel das Wechselspiel zwischen Regierung und Opposition, zumindest in europapolitischen Fragen außer Kraft gesetzt worden. Merkel muss keine Mehrheiten mehr organisieren, es reicht, wenn sie den einstigen Kriegstreibern von SPD und Grünen einen µ Honig um die viel zu schmalen Lippen schmiert. Diese vergessen ob des süßlichen Schocks ihre Einwände und ihre hehren Prinzipien und Grundsätze, die sie immer so stolz vor sich hertragen. Garniert wird das Ganze dann noch mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit zur europäischen Einigung, darauf, dass es zu einem vereinten Europa keine Alternative gäbe. Und das Schlimmste ist: Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung glaubt diesen Unsinn auch noch. Die Menschen glauben den Politikern. Wir können gerade in vielen afrikanischen Staaten sehen, wohin blinder Glaube führen kann, wenn an seiner Stelle eigentlich Wissen und Aufklärung stehen sollte. Ich für meinen Teil weiß, dass ein harmonisiertes, auf Konsens zwischen den Nationalstaaten ausgerichtetes und demokratisch legitimiertes Europa weitaus besser funktionieren würde als das heutige. Auch wenn wir den letzten Punkt in Europa noch nie hatten, was an sich schon traurig genug ist.

Auch wenn dies oben anders geklungen haben mag, will dieser Text nicht bloße Politikerschelte betreiben. Es gibt sie noch, die Kümmerer, bloß kennt man diese weder mit Namen noch hat man ein Bild von ihnen vor Augen. Diese Politiker sind, wenn schon nicht in der krassen Minderheit, dann immerhin nicht an den Schalthebeln der Macht. Dort sitzen die feigen Gestalten, die, angeführt von einer Kanzler-Schauspielerin, alles im Sinne haben außer den Belangen des eigenen Volkes. Ihre Feigheit besteht darin, dass sie dies nicht offen zugeben. Dass es in der Politik eine Negativauslese gibt, ist immer noch nicht bei jedem angekommen. Ruchlos und auf den eigenen Vorteil bedacht, möglicherweise gar fremde Pläne exekutierend, gerieren sich die obersten Politiker unserer Republik. Dafür kann das Bundesverfassungsgericht weder un- noch mittelbar etwas. Ein Gericht kann und soll nicht die Aufgabe übernehmen, die dem Souverän ursprünglich zugedacht war. Wenn also überhaupt irgendjemand etwas für unser schlechtes Politpersonal kann, dann sind es wohl wir selbst. Wir sind es aber auch, die dieses Personal auswechseln können. Insofern sollten die gefühlten 87 Prozent, die ihr Dasein in einem wachkomatösen Zustand fristen, schleunigst ihre Köpfe aus den Hintern ziehen, ehe sie in einem Europa erwachen, das vielleicht vereint, ganz sicher aber nicht demokratisiert und parlamentarisiert ist.

1 Kommentar:

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