Der Tag der Entscheidung ist nah. Am morgigen Mittwoch wird das Bundesverfassungsgericht sein Urteil bezüglich des dauerhaften europäischen Rettungsschirms ESM sprechen und die Chancen dafür, dass Karlsruhe dieses undemokratische Machwerk Brüsseler Büro- und Technokraten zu Fall bringt, stehen alles andere als schlecht, auch wenn die Hauptstrommedien etwas anderes suggerieren.
Immer wieder hörte man dieser Tage von einer "Ja, aber-Entscheidung", die Karlsruhe "sehr wahrscheinlich" fällen werde. Dabei schimmert allerdings durch, dass die Hoffnung dieses Gedankens Vater ist, die Hoffnung darauf, dass uns nicht der Euro und mit ihm die EU um die Ohren fliegt. Für die Karlsruher Richter in ihren scharlachroten Roben spielen derartige Überlegungen selbstredend auch eine Rolle. Verfassungsrechtliche Überlegungen dürften bei der Urteilsfindung in Karlsruhe allerdings weitaus wichtiger sein. So vehement wie aller Orten verneint wird, dass das Verfassungsgericht den ESM tatsächlich komplett verhindern wird, so selten findet sich auch die Meinung in den Zeitungen wieder, dass Karlsruhe hinsichtlich des ESM gar keine Bauchschmerzen hätte und der offensichtlichen Schaffung eines seltsamen Gebildes namens Vereinigte Staaten von Europa zustimmen werde.
Eilig schwadronieren unsere werten Damen und Herren Volksvertreter von der Wichtigkeit Europas für Deutschland, für den Export und für unser Gewicht in der Welt von morgen. Sie merken dabei gar nicht, dass die deutsche Realität sie längst überholt hat, dass die Menschen die Nase gestrichen voll davon haben, für sinn- und nutzlose Bankenrettungen - nichts anderes waren und sind die bisherigen "Rettungsschirme" - ihr Portemonnaie zu öffnen. Ein stetig größer werdender Teil der hiesigen Bevölkerung versteht mittlerweile zudem, dass es nicht die "faulen Griechen" sind, die die Schuld an der noch immer fortdauernden Krise tragen, auch wenn sich das noch nicht bis zum letzten Bierzelttisch herumgesprochen hat.
Und das Verfassungsgericht und mit ihm sein Präsident Andreas Voßkuhle? Allen Beteiligten dürfte die Tragweite ihrer Entscheidung bekannt sein: Stimmen sie dem ESM weitestgehend zu, so verspielen die Richter leichtfertig ihre zu Recht hohe Reputation im Volk und lassen Europa und damit auch die Bundesrepublik Brüsseler Exekutivmächten anheimfallen. Lehnen sie ihn rundheraus ab, steht Deutschland zum dritten Mal binnen nicht einmal 100 Jahren als Zerstörer Europas da.
Ich für meinen Teil sehe nur eine halbwegs elegante Möglichkeit für Voßkuhle und Co.: eine "Nein, aber-Entscheidung". Wenn die Richter ihre bisherigen Urteilssprüche bezüglich der fortschreitenden Integration Europas, also der sukzessiven Aushöhlung der nationalstaatlich verfassten Demokratien in Europa, ernst nehmen würden, bliebe ihnen gar nichts anderes übrig, als hier eine rote Linie zu ziehen. Von denen spricht Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ja auch immer wieder, scheint aber stets seinen roten Stift vergessen zu haben.
Diese rote Linie muss aber nicht zwangsläufig darin gipfeln, den ESM und den Fiskalpakt in Gänze abzulehnen. Karlsruhe würde sich damit doch auf eine Stufe mit unseren gewählten Repräsentanten begeben, die paternalistisch wie eh und je denken, sie würden über dem Souverän stehen und nicht etwa von ihm abhängen. Die Richter könnten aber sagen, dass eine Ratifizierung dieser Gesetze mit unserer Verfassung nicht vereinbar ist und deshalb vorerst nicht vollzogen werden kann. Um diese Gesetze zu ratifizieren, benötige es einer Volksabstimmung über eine neue Verfassung, könnte Gerichtspräsident Voßkuhle morgen Vormittag vor der versammelten Medienschar zum Besten geben. Solange diese nicht vollzogen ist, macht Deutschland nicht mit beim ESM. Dadurch würde das Bundesverfassungsgericht seiner vordringlichen Aufgabe, das Grundgesetz zu schützen, gerecht werden, ohne den selben Fehler zu begehen, den die Politik bereits seit Jahrzehnten macht. Auch diese Ansicht ist natürlich einer Hoffnung geschuldet, anders als die der ewig quakenden und ideologisch verblendeten Pro-Europa-Politiker ist meine Hoffnung aber dem Wunsch nach einem Mehr an Demokratie geschuldet. Die Politik hatte lange genug die Möglichkeit, Europa zu demokratisieren, es wird Zeit, dass uns das Verfassungsgericht in die Lage versetzt, selbst über die zukünftige Form der EU entscheiden. Es muss sich nur trauen...
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