Samstag, 12. Januar 2013

WiSoPol @IKNews: Was treibt Napollande in Mali?

Der französische Präsident François Hollande zündelt in Afrika und startet die nächste Eskalationsstufe im westafrikanischen Mali. Dass er sich dabei auf geltendes Völkerrecht beruft, versteht sich von selbst. Warum er allerdings nicht – wie ursprünglich vorgesehen – afrikanischen Soldaten die Drecksarbeit überlässt, sondern eigene Truppen nach Mali schickt, ist auf den ersten Blick nicht wirklich nachvollziehbar. Der Kampf gegen die „islamistischen Rebellen“, mit denen sich der Westen ein paar Kilometer weiter, in Syrien und anderswo, gemein gemacht hat, dürfte jedenfalls nicht der Hauptbeweggrund für das Vorpreschen Hollandes sein.

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Freitag, 14. September 2012

Das ESM-Urteil - Ein Scheinerfolg für den Parlamentarismus

Karlsruhe hat sich also nicht getraut, jedenfalls nicht so richtig. Immerhin wurde das Haftungsrisiko von Voßkuhle und Co. begrenzt, könnte man einwenden. Der Bundestag soll es richten und obschon dieser im institutionellen Gefüge des politischen Systems in Deutschland eine exponierte Stellung einnimmt, kann er nur so gut oder schlecht sein wie die Leute, die in ihm wirken. Und hier beginnen die Probleme.

In Zeiten eines ganz offen praktizierten Fraktionszwangs und einer Regierungschefin, die offensichtlich die Zeit zurückdrehen und unter dem demokratischen Gewand eine absolutistische Herrschaftsform einführen möchte, ist der Richterspruch aus Karlsruhe das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht. An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass die Karlsruher Richter für diesen Umstand nicht wirklich etwas können, allenfalls das Verschließen der eigenen Augen hinsichtlich der politischen Realität ist ihnen vorzuwerfen.

Wenn die Richter darauf pochen, den Bundestag an der Euro-Rettung vollumfänglich zu beteiligen, dann ist das ja zunächst einmal eine gute Sache. Schließlich ist es immer besser, wenn die Legislative über den Haushalt entscheidet und nicht die Exekutive, namentlich unsere Regierung um Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Vor dem Hintergrund, was für Leute in unserem Parlament und insbesondere in den Regierungsfraktionen sitzen, wird jedoch ersichtlich, dass der bloße Hinweis auf die Etat-Kompetenz des Bundestages und deren Durchsetzung nicht wirklich ausreicht, um sich aus der Affäre zu ziehen. Allein der Umgang mit den "EUro-Skeptikern" in der Unions- und FDP-Fraktion gibt einen wichtigen Hinweis darauf, dass im Hohen Hause Deutschlands mehrheitlich Menschen sitzen, die eine krude und undemokratische Ideologie vertreten.

Ruft man sich dann noch in Erinnerung, wie viele von unseren Repräsentanten den ESM- und Fiskalvertrag durchgewinkt haben, ohne ihn überhaupt gelesen geschweige denn verstanden zu haben, zeichnet sich das Bild der willfährigen Wackeldackel fast schon von selbst. Mit all dem will Karlsruhe aus guten Gründen nichts zu tun haben. Dennoch steht das Verfassungsgericht zwangsläufig in eben jenem Spannungsfeld zwischen der demokratischen Notwendigkeit eines wehrhaften Parlaments und dem Wunsch der Finanzmärkte, die liquiditätsgetriebene Hausse nicht zu beenden. Immerhin war es an Karlsruhe, dem bunten Treiben in London, New York und Frankfurt den sprichwörtlichen Stecker zu ziehen, wenn es sich schon nicht die jeweiligen Parlamente getrauen. Es hat fast den Anschein, als ob sich das Gericht um Präsident Andreas Voßkuhle nicht über Gebühr die Finger schmutzig machen wollte, vielleicht wollte es sich selbige aber auch nur nicht verbrennen.

Wie dem auch sei, im Bundestag jedenfalls sind die alten Mechanismen, so zum Beispiel das Wechselspiel zwischen Regierung und Opposition, zumindest in europapolitischen Fragen außer Kraft gesetzt worden. Merkel muss keine Mehrheiten mehr organisieren, es reicht, wenn sie den einstigen Kriegstreibern von SPD und Grünen einen µ Honig um die viel zu schmalen Lippen schmiert. Diese vergessen ob des süßlichen Schocks ihre Einwände und ihre hehren Prinzipien und Grundsätze, die sie immer so stolz vor sich hertragen. Garniert wird das Ganze dann noch mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit zur europäischen Einigung, darauf, dass es zu einem vereinten Europa keine Alternative gäbe. Und das Schlimmste ist: Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung glaubt diesen Unsinn auch noch. Die Menschen glauben den Politikern. Wir können gerade in vielen afrikanischen Staaten sehen, wohin blinder Glaube führen kann, wenn an seiner Stelle eigentlich Wissen und Aufklärung stehen sollte. Ich für meinen Teil weiß, dass ein harmonisiertes, auf Konsens zwischen den Nationalstaaten ausgerichtetes und demokratisch legitimiertes Europa weitaus besser funktionieren würde als das heutige. Auch wenn wir den letzten Punkt in Europa noch nie hatten, was an sich schon traurig genug ist.

Auch wenn dies oben anders geklungen haben mag, will dieser Text nicht bloße Politikerschelte betreiben. Es gibt sie noch, die Kümmerer, bloß kennt man diese weder mit Namen noch hat man ein Bild von ihnen vor Augen. Diese Politiker sind, wenn schon nicht in der krassen Minderheit, dann immerhin nicht an den Schalthebeln der Macht. Dort sitzen die feigen Gestalten, die, angeführt von einer Kanzler-Schauspielerin, alles im Sinne haben außer den Belangen des eigenen Volkes. Ihre Feigheit besteht darin, dass sie dies nicht offen zugeben. Dass es in der Politik eine Negativauslese gibt, ist immer noch nicht bei jedem angekommen. Ruchlos und auf den eigenen Vorteil bedacht, möglicherweise gar fremde Pläne exekutierend, gerieren sich die obersten Politiker unserer Republik. Dafür kann das Bundesverfassungsgericht weder un- noch mittelbar etwas. Ein Gericht kann und soll nicht die Aufgabe übernehmen, die dem Souverän ursprünglich zugedacht war. Wenn also überhaupt irgendjemand etwas für unser schlechtes Politpersonal kann, dann sind es wohl wir selbst. Wir sind es aber auch, die dieses Personal auswechseln können. Insofern sollten die gefühlten 87 Prozent, die ihr Dasein in einem wachkomatösen Zustand fristen, schleunigst ihre Köpfe aus den Hintern ziehen, ehe sie in einem Europa erwachen, das vielleicht vereint, ganz sicher aber nicht demokratisiert und parlamentarisiert ist.

Dienstag, 11. September 2012

Trau dich, Karlsruhe!

Der Tag der Entscheidung ist nah. Am morgigen Mittwoch wird das Bundesverfassungsgericht sein Urteil bezüglich des dauerhaften europäischen Rettungsschirms ESM sprechen und die Chancen dafür, dass Karlsruhe dieses undemokratische Machwerk Brüsseler Büro- und Technokraten zu Fall bringt, stehen alles andere als schlecht, auch wenn die Hauptstrommedien etwas anderes suggerieren.

Immer wieder hörte man dieser Tage von einer "Ja, aber-Entscheidung", die Karlsruhe "sehr wahrscheinlich" fällen werde. Dabei schimmert allerdings durch, dass die Hoffnung dieses Gedankens Vater ist, die Hoffnung darauf, dass uns nicht der Euro und mit ihm die EU um die Ohren fliegt. Für die Karlsruher Richter in ihren scharlachroten Roben spielen derartige Überlegungen selbstredend auch eine Rolle. Verfassungsrechtliche Überlegungen dürften bei der Urteilsfindung in Karlsruhe allerdings weitaus wichtiger sein. So vehement wie aller Orten verneint wird, dass das Verfassungsgericht den ESM tatsächlich komplett verhindern wird, so selten findet sich auch die Meinung in den Zeitungen wieder, dass Karlsruhe hinsichtlich des ESM gar keine Bauchschmerzen hätte und der offensichtlichen Schaffung eines seltsamen Gebildes namens Vereinigte Staaten von Europa zustimmen werde.

Eilig schwadronieren unsere werten Damen und Herren Volksvertreter von der Wichtigkeit Europas für Deutschland, für den Export und für unser Gewicht in der Welt von morgen. Sie merken dabei gar nicht, dass die deutsche Realität sie längst überholt hat, dass die Menschen die Nase gestrichen voll davon haben, für sinn- und nutzlose Bankenrettungen - nichts anderes waren und sind die bisherigen "Rettungsschirme" - ihr Portemonnaie zu öffnen. Ein stetig größer werdender Teil der hiesigen Bevölkerung versteht mittlerweile zudem, dass es nicht die "faulen Griechen" sind, die die Schuld an der noch immer fortdauernden Krise tragen, auch wenn sich das noch nicht bis zum letzten Bierzelttisch herumgesprochen hat.

Und das Verfassungsgericht und mit ihm sein Präsident Andreas Voßkuhle? Allen Beteiligten dürfte die Tragweite ihrer Entscheidung bekannt sein: Stimmen sie dem ESM weitestgehend zu, so verspielen die Richter leichtfertig ihre zu Recht hohe Reputation im Volk und lassen Europa und damit auch die Bundesrepublik Brüsseler Exekutivmächten anheimfallen. Lehnen sie ihn rundheraus ab, steht Deutschland zum dritten Mal binnen nicht einmal 100 Jahren als Zerstörer Europas da.

Ich für meinen Teil sehe nur eine halbwegs elegante Möglichkeit für Voßkuhle und Co.: eine "Nein, aber-Entscheidung". Wenn die Richter ihre bisherigen Urteilssprüche bezüglich der fortschreitenden Integration Europas, also der sukzessiven Aushöhlung der nationalstaatlich verfassten Demokratien in Europa, ernst nehmen würden, bliebe ihnen gar nichts anderes übrig, als hier eine rote Linie zu ziehen. Von denen spricht Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ja auch immer wieder, scheint aber stets seinen roten Stift vergessen zu haben.

Diese rote Linie muss aber nicht zwangsläufig darin gipfeln, den ESM und den Fiskalpakt in Gänze abzulehnen. Karlsruhe würde sich damit doch auf eine Stufe mit unseren gewählten Repräsentanten begeben, die paternalistisch wie eh und je denken, sie würden über dem Souverän stehen und nicht etwa von ihm abhängen. Die Richter könnten aber sagen, dass eine Ratifizierung dieser Gesetze mit unserer Verfassung nicht vereinbar ist und deshalb vorerst nicht vollzogen werden kann. Um diese Gesetze zu ratifizieren, benötige es einer Volksabstimmung über eine neue Verfassung, könnte Gerichtspräsident Voßkuhle morgen Vormittag vor der versammelten Medienschar zum Besten geben. Solange diese nicht vollzogen ist, macht Deutschland nicht mit beim ESM. Dadurch würde das Bundesverfassungsgericht seiner vordringlichen Aufgabe, das Grundgesetz zu schützen, gerecht werden, ohne den selben Fehler zu begehen, den die Politik bereits seit Jahrzehnten macht. Auch diese Ansicht ist natürlich einer Hoffnung geschuldet, anders als die der ewig quakenden und ideologisch verblendeten Pro-Europa-Politiker ist meine Hoffnung aber dem Wunsch nach einem Mehr an Demokratie geschuldet. Die Politik hatte lange genug die Möglichkeit, Europa zu demokratisieren, es wird Zeit, dass uns das Verfassungsgericht in die Lage versetzt, selbst über die zukünftige Form der EU entscheiden. Es muss sich nur trauen...

In eigener Sache: Vielen Dank an das Team der Zeitschrift Dorian Grey für die Zusendung eines Print-Exemplars. Sehr lesenswert und zu empfehlen.

Samstag, 30. Juni 2012

Voßkuhle, übernehmen Sie!

Wie zu erwarten war, hat der Bundestag am Freitag einer erneuten Teil-Entmachtung seiner selbst zugestimmt. Angesichts der nahenden Sommerpause stand den werten Damen und Herren Volksvertreter der Sinn wohl nicht unbedingt nach einer eingehenden Prüfung des ESM- und "Fiskalpakt"-Gesetzes. Dies wird nun das Bundesverfassungsgericht und der Präsident ebendieses, Andreas Voßkuhle, übernehmen müssen.

Eine Abstimmung nach Maß für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Über 490 Abgeordnete stimmten den Gesetzen, die Gegenstand Tausender Verfassungsklagen sind, zu, 414 wären zum Erreichen der Zweidrittel-Mehrheit notwendig gewesen. Da war es für Merkel auch zu verschmerzen, dass sie ihrer Regierungskoalition nicht die prestigeträchtige Kanzlermehrheit abringen konnte. Ohnehin kennt Frau Merkel dies ja bereits aus vorherigen Abstimmungen. Während der stundenlangen Debatte im Plenum und den am Rande geführten Interviews verdichtete sich jedenfalls der Eindruck, dass es den Parlamentariern wahrlich nicht leicht fiel, den Gesetzen zuzustimmen. Längst überwunden geglaubte Worthülsen machten die Runde, unter anderem von Alternativlosigkeit war seitens der SPD die Rede.

Immer wieder verwiesen die ESM-Befürworter von CDUCSUFDPSPDGrüne auch darauf, dass bei etwaigen künftigen Ausweitungen des ESM der Bundestag "beteiligt" werden würde. Dies stünde im Gesetz. Selbstredend steht es nicht im - völkerrechtlich gesehen - eigentlich entscheidenden Gesetz, sondern in einem Begleitgesetz. Es ist also, wenn die Regierung und insbesondere der deutsche Vertreter im ESM-Gouverneursrat es darauf anlegten, prinzipiell egal, ob und was der Bundestag entscheidet: Bindend ist lediglich das Wort des deutschen ESM-Gouverneurs, momentan wäre das Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die ESM-Gouverneure genießen bezüglich ihrer Entscheidungen in diesem Gremium übrigens Immunität.

In den vielen vielen Klageschriften, die von heute an Karlsruhe erreichen, gibt es noch zahlreiche weitere Punkte, die eine wohlwollende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts  unwahrscheinlich erscheinen lassen. Andererseits dürfte der politische Druck auf die Richter um Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle enorm sein, könnten sie mit ihrer möglicherweise "negativen" Entscheidung für Europa doch die jahrelangen und zähen Bemühungen der Politiker zur "Krisen-Bekämpfung" zunichte machen. Karlsruhe indes darf sich um die Befindlichkeiten unserer Repräsentanten nicht scheren, das Gericht hat mit der Beantwortung der Frage, ob die Grenzen unseres Grundgesetzes durch den ESM und den Fiskalpakt bereits berührt oder überschritten wurden, bereits genug zu tun.

Ob sich Voßkuhle und Co. jedoch so ganz frei machen können von diesem Druck, muss stark bezweifelt werden. Und dennoch avanciert das Karlsruher Gericht wieder einmal zum wichtigsten Organ unserer Verfassung: Dort wird sich entscheiden, ob die Ideen der europäischen Staats- und Regierungschefs mit unserer Verfassung vereinbar sind, paradoxerweise geschieht dies nicht in unserem Parlament. Vor dem Hintergrund, dass Merkel auf dem Krisengipfel immerhin die Eurobonds verzögern konnte, dafür aber direkten ESM-Zahlungen an spanische und italienische Geldhäuser abnicken und damit eine ihrer Kernforderungen räumen musste, erscheinen die Abstimmungen im willfährigen Bundestag und Bundesrat als demokratische Folklore. Die gewählten Parlamentarier verabschiedeten ein Gesetz, von dem sie wussten, dass es bereits wieder "veraltet", will meinen: gebrochen worden war. Völlig zu Recht sprechen Kritiker des ESM von einer Verballhornung des Gesetzgebungsprozesses, die für sich genommen bereits ausreicht, um dem höchstrichterlichen Urteil optimistisch entgegen zu blicken.

Nachdem sich der Bundestag in europäischen Fragen nun also erneut teilentmachtet hat und sich der geneigte Beobachter die Frage stellt, wie viele Teile es denn eigentlich noch gibt, die man an Brüssel abtreten könnte, wird deutlich, welche Verantwortung die Richter am Bundesverfassungsgericht mit ihrem Urteil zu Fiskalpakt und ESM übernehmen. Sie entscheiden schließlich darüber, ob das deutsche Volk in der urdemokratischsten Form über die europäische Idee und über die Brüsseler Auswüchse hinsichtlich Bürokratie und dem Fehlen der demokratischen Legitimation zu befinden hat oder nicht. Während sich die Politik darauf verlegt, kurzfristige Maßnahmen zur angeblichen Bekämpfung der Krise zu ergreifen, die bestenfalls als Verschlimmbesserung zu bezeichnen sind, sind die Karlsruher Richter dazu aufgerufen, darüber zu befinden, ab welchem Punkt die Bevölkerung gefragt werden muss und ob dieser Punkt bereits erreicht ist.

Mittwoch, 27. Juni 2012

Solange ich lebe. Merkels Vertrauensfrage

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihre politische Zukunft daran geknüpft, dass es keine Vergemeinschaftung von den Schulden Europas durch die sogenannten Eurobonds gibt. Im Werfen von Nebelkerzen war unsere Regierungschefin schon immer gut, neu ist aber, dass sie ihre eigene Zukunft an ihre Forderungen knüpft.

Martialisch mutete Merkel gestern an: Solange sie lebe, werde es keine Eurobonds geben, sagte die CDU-Chefin bei ihren liberalen Koalitionspartnern. Nun trägt eine derartige Aussage in sich bereits etwas absolutistisches, fast so, als sehe Merkel sich selbst als eine Art Königin, ihrer Parteizugehörigkeit nach könnte sie die Kanzlerschaft gar mit einer Kaiserinnen-Herrschaft verwechselt haben.

Und doch lenkt Merkel mit ihrer Aussage bezüglich der Eurobonds nur von den anstehenden Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat über den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM, der für alle Zeit Gültigkeit hat und folglich nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, und den Fiskalpakt ab. Sie geriert sich als Kämpferin für deutsche Interessen in Europa, als Bewahrerin des deutschen Steuersäckels, während sie die politische Grundstruktur Deutschlands, nach der der Bundestag darüber zu befinden hat, wie viel Geld wo hin fließt, aufzulösen versucht und damit das geltende Grundgesetz in letzter Konsequenz abzuschaffen gedenkt.

Nun steht morgen also der EU-Gipfel an. Von allen Seiten kriegt die Regierung um Merkel zu hören, dass nun ein großer Wurf vonnöten sei, um Europa zu retten. In ihrer heutigen Regierungserklärung erteilte Merkel einem großen Wurf - wie in der Vergangenheit auch - eine klare Absage. Sie steht weiterhin für eine Politik der kleinen Schritte, während die Welt die Stirn in Falten legt und sich über das Gebaren der Pfarrerstochter aus Hamburg wundert. Sie wird zurückkehren und verkünden, dass sie die Vergemeinschaftung von Schulden verhindert habe und erklären, weshalb sie im Gegenzug allen anderen Punkten des Brüsseler Wunschzettels zustimmen musste.

Es geht hintergründig aber nicht um eine etwaige Schuldenvergemeinschaftung, sondern um die fortwährende Aushöhlung des deutschen Parlaments. Das Merkelsche Machtwort bezüglich der Eurobonds geht insofern am Thema vorbei, als es eine Absage ist, die selbstverständlich sein sollte. Zumindest wenn man die derzeit geltenden europäischen Verträge für bare Münze nimmt und das Grundgesetz achtet. Letzteres wird in Karlsruhe überprüft werden und ich wiederhole mich an dieser Stelle sehr gerne: Der ESM ist mit unserer Verfassung nicht zu machen.

Donnerstag, 21. Juni 2012

Karlsruhe verzögert ESM

Das Bundesverfassungsgericht bittet Bundespräsident Joachim Gauck um Aufschub und torpediert somit die Pläne der europäischen Staats- und Regierungschefs, den undemokratischen dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM zum 1. Juli zu installieren.

Erst gestern hatte ich geschrieben, dass Karlsruhe den ESM aus verfassungsrechtlicher Sicht eigentlich nicht passieren lassen dürfte, heute nun kam es zu einem ersten Etappensieg für diejenigen, die Staatsorgane wie den Bundestag für wichtig erachten.

Das Bundesverfassungsgericht bittet unseren Bundesgrüßaugust Gauck darum, dass Gesetz zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) nicht zu unterschreiben. Die Verfassungsrichter um Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle ziehen damit vorerst die Reißleine und fahren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in die Parade. Diese benötigt die ESM-Milliarden, um den in Brand stehenden spanischen Bankensektor und den nahenden Bailout für Italien zu finanzieren. Wie eine Sprecherin des Verfassungsgerichts erklärte, gehe selbiges davon aus, "dass der Bundespräsident wie in der Vergangenheit auch dieser Bitte nachkommen wird und das Gericht so genügend Zeit zur Prüfung hat".

Noch gibt es kein ESM-Gesetz, welches vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden wäre, die Abstimmung wird für nächsten Freitag (29. Juni) erwartet. Es wäre also ohnehin äußerst knapp geworden, den ESM bis zum 1. Juli in Kraft zu setzen, auch vor dem Hintergrund, dass dieser längst nicht in allen Euro-Staaten ratifiziert worden ist. Der europäische Stabilitätsanker Deutschland droht nun mit schlechtem Beispiel voranzugehen.

Wenn Bundestag und Bundesrat Ende Juni den ESM verabschieden sollten, würde dieser dennoch nicht sofort in Kraft treten, da jedes Gesetz vom Bundespräsidenten unterzeichnet werden muss. Dabei muss er penibel darauf achten, dass das zu unterschreibende Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Insofern ist die Bitte aus Karlsruhe, die eigentlich eine Aufforderung ist, ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Bundesregierung.

Gerichtspräsident Voßkuhle hatte vor einigen Monaten in einem seiner seltenen Interviews bereits angedeutet, dass die europäische Integration bereits an den Grenzen des Grundgesetzes kratzt, weitere Kompetenzübertragungen nach Brüssel sind folglich kaum möglich. Die zu erwartenden Klagen gegen den ESM - unter anderem die Linken wollen mit Eilanträgen vor dem Gericht versuchen, den ESM zu stoppen - ließen die Richter in Karlsruhe anscheinend aufhorchen und trugen wesentlich zu der Entscheidung bei, den Bundespräsidenten darum zu bitten, das Gesetz vorerst nicht zu unterschreiben.

Natürlich ist die Gefahr, die vom ESM für den bundesdeutschen Parlamentarismus ausgeht, mit der Bitte um Aufschub nicht gebannt, wohl aber verdichten sich damit die Anzeichen, dass Karlsruhe den ESM in seiner jetzigen Form für verfassungswidrig erklären könnte. Interessant wird nun zu sehen sein, was Bundespräsident Gauck macht. Denn immerhin könnte er, rein theoretisch, der Bitte des Verfassungsgerichts nicht nachkommen und das ESM-Gesetz "nach eingehender Prüfung" binnen Stunden unterschreiben und niemand könnte unser Staatsoberhaupt daran hindern. Andererseits würde er sich damit als jemand outen, dem verfassungsrechtliche Bedenken egal sind, was man von Gauck, trotz seiner jüngsten Auslassungen über Militäreinsätze, eigentlich nicht erwarten kann.

Update: Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, beugt sich Gauck der "Bitte" aus Karlsruhe und wird das Gesetz vorerst nicht unterschreiben.

Reloaded: ESM oder Demokratie?

Die knauserige US-Notenbank

Die gestrige Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hatte im Vorfeld Begehrlichkeiten bei den Investoren geweckt. Helikopter-Ben Bernanke würde die Geldschleusen öffnen, so die Hoffnung. Der Fed-Chef enttäuschte die Anleger jedoch, lächerliche 267 Milliarden US-Dollar will er für die Stützung der Wirtschaft bis zum Ende des Jahres aufwenden.

Die bereits seit September 2011 laufende "Operation Twist" wird von der Fed bis zum Ende des Jahres verlängert, teilte der Notenbank-Chef mit. Hinter dem Begriff verbirgt sich ein sogenannter Anleihentausch: Bernanke und seine Kumpanen werfen kurzfristige Anleihen, die meist nicht mehr als zwei bis fünf Jahre laufen, auf den Markt und können mit dem so vorhandenen Kapital langfristige US-Papiere kaufen, wodurch die Zinsen auf diese sinken, was wiederum gut für die Unternehmen und Verbraucher sein soll.

Die Märkte reagierten mit Ernüchterung, hatten doch nicht wenige Marktteilnehmer mit einer neuerlichen quantitativen Lockerung (QE3) gerechnet, also mit dem Ankauf von Staatsanleihen durch die Notenbank. Der monetäre Instrumentenkoffer in Übersee scheint weitestgehend leer zu sein, der Leitzins ist bereits auf historisch niedrige 0 bis 0,25 Prozent gesenkt worden, die Wirtschaft kommt dennoch nicht in die Gänge und US-Präsident Barack Obama muss ob der im November anstehenden Präsidentschaftswahl um seine zweite Amtszeit bangen. Wer wählt schon gerne einen Präsidenten, unter dessen Ägide der Arbeitsmarkt am Boden liegt?

Die gestrige Nicht-Entscheidung zeigt das Problem der Fed auf: Durch ein neues Anleihenkaufprogramm wäre die Inflation in den USA gestiegen. Zwar verweist die Fed lieber auf die sogenannte Kerninflationsrate, bei der die für die Bevölkerung nicht unerhebliche Geldentwertung bei der Energie sowie bei den Lebensmitteln gekonnt ausgeklammert wird, allerdings kann eine wie auch immer zurechtgebogene Inflationsrate die Menschen im Land der äußerst begrenzten Möglichkeiten nicht darüber hinweg täuschen, dass der Kühlschrank jeden Monat etwas leerer bleibt, obwohl man genauso viel verdient wie vor einem halben Jahr.

Wenn man sich vor Augen führt, dass Obama auf dem G-20-Gipfel im mexikanischen Nobel-Badeort Los Cabos mit dem Brustton der Überzeugung versucht hat, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weichzuklopfen und erneut Geldspritzen an die Junkies der Finanzplätze zu verteilen, ist die Entscheidung der Fed gelinde gesagt ein Armutszeugnis für die USA. Von den Europäern und insbesondere von Deutschland werden stets Maßnahmen zur "Stützung der Konjunktur und Weltwirtschaft" eingefordert, den eigenen Geldbeutel hält die USA aber schön geschlossen.

46,4 Millionen US-Bürger beziehen Lebensmittelmarken, die Arbeitslosigkeit ist für US-Verhältnisse auf äußerst hohe 8,2 Prozent angestiegen und dabei immer noch statistisch verzerrt. Dazu gesellt sich - und hier könnte der Grund für die knauserige Entscheidung der Fed liegen - ein Schuldenstand von 15,8 Billionen(!) US-Dollar. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt der USA macht dies offizielle 99% aus, wobei das BIP der USA auf ähnliche Weise aufgebläht ist wie der spanische Häusermarkt vor ein paar Jahren.

Das Portemonnaie der Fed kann zwar nie leer sein, dank der Rolle des US-Dollar als Weltreservewährung. Jedoch ist feszuhalten, dass es immer mehr aus Zwiebelleder zu bestehen scheint, denn auch wenn der Fed-Chef gestern nicht geweint hat, müsste ein Blick ins Staatssäckel Bernanke und Co. eigentlich die Tränen in die Augen treiben.